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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Leben der Bor-gias beherrschte. Jahre später ließ Alexander die Glocke in das massive und uneinnehmbare Castel Sant' Angelo schaffen, aber nicht einmal als der Gegenstand in dieser Gruft aus Stein und Gebeinen begraben war, wurde die Macht des Dings über die Menschen, die es sich zunutze machen wollten, geringer. Ottavianos knapper Bericht erzählt von dem Wahnsinn, der in diesen Jahrzehnten sowohl die Borgias wie auch Rom im Griff hielt: die Morde und Intrigen, die selbst nach den brutalen Maßstäben von damals schrecklich waren; Berichte über Dämonen, die durch die Katakomben unter Rom schlichen, über nichtmenschliche Dinge, die durch das Castel Sant' Angelo und die Straßen der Stadt schritten; und Geschichten vom Einfluß der
    Säule der Offenbarung, die auf ihre eigene Belebung hinarbeitete.
    An diesem Punkt, nach dem schrecklichen Tod von Ottaviano, verläuft die Legende der Säule im dunkeln. Der Niedergang des Hauses Borgia wurde aufgezeichnet. Man sagt, eine Generation später, als der erste Papst der Medici die Schlüssel von St. Peter übernahm, war seine erste Amtshandlung als Papst, die Glocke aus Rom entfernen und einschmelzen und das verfluchte Metall in geweihtem Boden fern vom Vatikan vergraben zu lassen. Bis heute haben sich keine Hinweise über Verbleib und Schicksal der Säule der Offenbarung ergeben. Doch die Legende der Macht der Säule als >Allesverschlingende<, >Allesverzehrende<, hat sich bis auf den heutigen Tag in der Schwarzen Kunst gehalten.
    Duane legte Onkel Arts Tagebuch beiseite. Er hörte, wie sich der Alte oben in der Küche zu schaffen machte. Dann war ein Murmeln zu hören, die Tür wurde zugeschlagen, und Duane hörte, wie der Lieferwagen keuchend ansprang und die Einfahrt hinabfuhr. Die Enthaltsamkeit vom Fusel des Alten war vorbei. Duane hatte nicht gehört, ob der Alte Richtung Carl's oder dem Black Tree fuhr, aber er wußte, es würde Stunden dauern, bis sein Vater heimkam.
    Duane blieb ein paar Minuten im Kreis des Lampenscheins sitzen und betrachtete das Buch und die Notizen, die er sich gemacht hatte. Dann ging er nach oben und schloß die Tür ab.
    Die Schranktür ging langsam auf.
    Dale lehnte sich dagegen, brachte das langsame Öffnen bei einem zehn Zentimeter breiten Spalt in die Dunkelheit zum Stillstand und drehte sich zu Lawrence um. Sein Bruder sah ihn mit großen Augen an.
    »Hilf mir!« flüsterte Dale. Die Anstrengungen auf der anderen Seiten wurden verstärkt, die Tür ging weitere zwei Zentimeter auf, weil Dales Socken auf dem Holzboden abrutschten.
    »Mom!« kreischte Lawrence, während er vom Bett sprang und an Dales Seite eilte. Gemeinsam stemmten beide Jungs die Schultern an die Tür und drückten sie fünf Zentimeter weiter zu. »Mom!« Jetzt schrien sie gemeinsam.
    Die Tür verharrte, der Druck auf die gelb gestrichenen Bretter nahm zu, dann ging sie langsam wieder auf.
    Dale und Lawrence sahen einander an, drückten die Wangen gegen die rauhen Bretter und spürten die schreckliche Kraft, die durch das Holz übertragen wurde.
    Die Tür ging wieder sechs Zentimeter weit auf. Aus dem Inneren des Schrankes war kein Laut zu hören; aber draußen schnauften und keuchten beide Jungs. Dales Socken und Lawrences bloße Füße rutschten über den Boden.
    Wieder ging die Tür ein paar Zentimeter weiter auf. Der Spalt war jetzt über dreißig Zentimeter breit, ein kalter Lufthauch schien daraus hervorzukommen.
    »Herrgott... kann sie... nicht anhalten«, stöhnte Dale. Er hatte das linke Bein gegen die alte Kommode gestemmt, konnte aber nicht genügend Hebelwirkung aufbringen, die Tür wieder zuzudrücken.
    Was immer im Innern war, verfügte mindestens über die Kraft eines Erwachsenen.
    Die Tür ging weitere fünf Zentimeter auf.
    »Mom!« kreischte Lawrence. »Mom, Hilfe! Mom!«
    Sie hörten eine Art Antwort von der vorderen Veranda, aber Dale wurde klar, sie konnten die Tür niemals so lange zudrücken, bis ihre Mutter heraufkam. »Lauf!« keuchte er.
    Lawrence sah ihn an, das entsetzte Gesicht war nur Zentimeter von seinem entfernt, und ließ los. Er lief, aber nicht aus dem Zimmer. Mit zwei Schritten und einem gewaltigen Sprung hüpfte Lawrence auf sein Bett.
    Ohne die Hilfe von Lawrence konnte Dale die Tür nicht halten. Der Druck war unbarmherzig. Er ergab sich, sprang auf die eins zwanzig hohe Kommode und zog die Beine hoch. Die Lampe auf der Kommode und ein paar Bücher fielen polternd zu Boden.
    Die Tür wurde aufgestoßen und prallte gegen Dales

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