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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Knie. Lawrence brüllte wie am Spieß.
    Dale hörte die Schritte ihrer Mutter auf der Treppe, hörte sie eine Frage rufen, aber ehe er den Mund aufmachen und antworten konnte, kam ein Schwall kalter Luft heraus, als wäre die Tür zu einer Kühlhalle aufgestoßen worden, und dann kam etwas aus dem Schrank.
    Es war sehr flach und lang - mindestens einen Meter zwanzig lang - und substanzlos wie ein Schatten, nur viel dunkler. Es war eine Schwärze, die über den Boden wuselte wie ein aufgeschrecktes Insekt, das man gerade aus einem Glas herausgelassen hatte. Dale konnte beinähnliche Auswüchse erkennen, die sich rasend bewegten. Er hob die Füße auf die Kommode hoch. Ein gerahmtes Foto fiel auf den Boden.
    »Mom!« kreischten er und Lawrence wieder wie aus einem Mund.
    Das schwarze Ding sauste wie ein Schemen über den Boden. Dale fand, es sah wie eine Küchenschabe aus, wenn Küchenschaben einen Meter zwanzig lang wären, wenige Zentimeter hoch und aus schwarzem Rauch gemacht. Dunkle Extremitäten peitschten und krabbelten über die Bodendielen.
    »Mom!«
    Das Ding sauste unter Lawrences Bett.
    Lawrence sagte keinen Ton, während er aufstand, auf Dales Bett sprang und hüpfte wie auf einem Trampolin.
    Ihre Mutter stand unter der Tür und sah von einem kreischenden Jungen zum anderen.
    »Ein Ding ... aus dem Schrank... ist unter...«
    »Unter dem Bett ... schwarzes Ding ... großl«
    Ihre Mom lief zum Wandschrank in der Diele und kam mit einem Besen zurück. »Raus!« sagte sie. Sie zog an der Lichtkordel oben.
    Dale zögerte nur für einen Augenblick, dann sprang er von der Kommode, hinter seine Mutter und lief zur Tür hinaus. Lawrence sprang von Dales Bett auf sein Bett und dann zur Tür. Beide Jungs schlitterten auf den Flur und krachten gegen das Treppengeländer. Dale spähte ins Zimmer.
    Seine Mutter war auf allen vieren und hob den Staubteppich unter Lawrences Bett.
    »Mom! Nein!« rief Dale und versuchte, sie zurückzuziehen.
    Sie ließ den Besen fallen und hielt ihren ältesten Sohn am Oberarm fest. »Dale... Dale... hör jetzt auf. Aufhö-renl Da ist nichts. Sieh selbst.« Zwischen den Keuchlauten, die zunehmend in Schluchzen übergingen, sah Dale hin. Es war nichts unter dem Bett.
    »Wahrscheinlich ist es jetzt unter Dales Bett«, sagte Lawrence von der Tür.
    Mit Dale, der sich immer noch an sie klammerte, drehte sich ihre Mutter um und hob die Umrandung vor Dales Bett. Dale blieb fast das Herz stehen, als sie sich auf alle viere niederließ und den Besen vor sich schob.
    »Siehst du«, sagte sie, stand auf und wischte sich Rock und Knie ab. »Da ist nichts. Was wollt ihr denn gesehen haben?«
    Beide Jungs fingen sofort an zu plappern. Dale hörte seine eigene Stimme und merkte, wie sich ihre Beschreibung anhören mußte; etwas Großes, Schwarzes, Schattenhaftes, Flaches. Es hatte die Schranktür aufgedrückt und war wie ein Rieseninsekt unter das Bett gewuselt.
    Nn-nnn.
    »Vielleicht ist es in den Schrank zurück«, schlug Lawrence vor, der kaum die Tränen zurückhalten konnte und keuchend nach Luft rang.
    Ihre Mutter sah die beiden lange an, ging dann aber zum Schrank und riß die Tür ganz auf. Dale wich weiter zur Tür in den Flur zurück, als seine Mutter Kleidungsstücke auf der Stange verschob, Tennisschuhe beiseite kickte und um die Kanten des Türrahmens sah. Der Schrank war nicht tief. Er war leer.
    Sie verschränkte die Arme und wartete. Die Jungs blieben unter der Tür stehen und sahen über die Schultern zur den dunklen Türöffnungen des Elternschlafzimmers und des Gästezimmers, als könnte der Schatten von dort auf dem Holzboden zu ihnen gewuselt kommen.
    »Habt ihr euch gegenseitig angst gemacht?« fragte sie.
    Beide Jungs bestritten das und fingen wieder an zu plappern, beschrieben das Ding erneut, und Dale führte vor, wie er die Schranktür hatte zudrücken wollen.
    »Und dieser Käfer hat sie aufgedrückt?« Ihre Mutter lächelte verhalten.
    Dale seufzte. Lawrence sah zu ihm auf, als wollte er sagen: Irgendwie ist es immer noch unter meinem Bett. Wir können es nur nicht sehen.
    »Mom«, sagte Dale, so ruhig er konnte, im vernünftigen Plauderton, »können wir heute nacht in deinem Zimmer schlafen? In unseren Schlafsäcken?«
    Sie zögerte einen Augenblick lang. Dale vermutete, sie dachte daran, wie sie sich einmal wegen der >Mumie< ausgesperrt hatten... oder vielleicht an letzten Sommer, als sie mitten in der Nacht auf dem Platz beim Spielfeld gesessen und versucht hatten,

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