Sommer der Nacht
den Eingang finden würden. Dale hatte oft davon geträumt, wie sich der letzte Spatenstich anfühlen würde, wenn sie durchbrachen - wie sich die dunkle Höhle vor ihnen auftun würde, möglicherweise mit einer noch brennenden Petroleumlampe im Innern und einem Geruch von gepanschtem Gin, der mit einem Hauch Luft herausdrang, die seit dreißig Jahren versiegelt gewesen war.
Duane traf gegen sechs Uhr ein - sein Vater setzte ihn auf dem Weg zum Black Tree ab - und unterhielt sich eine halbe Stunde mit den Erwachsenen auf dem schattigen Rasen, bevor er durch den Hof zu den hinteren Wiesen ging. Es fiel niemandem auf, aber er hatte sich für den Anlaß die neuesten braunen Cordhosen und das rote Flanellhemd angezogen, das ihm Onkel Art zu Weihnachten geschenkt hatte. Auf der letzten Wiese fand er einen Kreis schmutziger und erschöpfter Jungs, die sich um ein neunzig Zentimeter tief in den Hügel gegrabenes Loch kauerten. Der Hang unter ihnen war mit großen Steinen übersät, die sie ausgegraben hatten.
»Hi.« Duane setzte sich auf einen der größeren Steine. »Glaubt ihr, ihr habt sie diesmal gefunden?« Die Schatten wurden länger, und diese Seite des Hügels lag im Schatten. Der Bach war wenig mehr als ein Rinnsal sechs Meter weiter unten, gleich neben dem flachen Abschnitt, den Dale in völliger Überzeugung immer für die >Schmugg-lerstraße< gehalten hatte.
Dale wischte sich die Stirn ab und hinterließ eine Schmutzschliere. »Wir haben es gedacht. Sieh mal... wir haben dieses alte verfaulte Holz hinter dem großen Stein gefunden.«
Duane nickte. »Alter Baumstamm, hm?«
»Nein!« sagte Lawrence wütend. Sein T-Shirt starrte vor Dreck. »Es ist einer der Balken vor dem Eingang zur Höhle.«
»Verschalung«, sagte Mike.
Duane nickte und stieß das Holz mit dem Fuß an. Es waren Stummel von Zweigen daran. »Hm-hmm.«
»Ich habe ihnen gesagt, sie haben nicht alle Tassen im Schrank«, sagte Jim Harlen schadenfroh. Er verlagerte das Gewicht, damit der Gips nicht so störte. Es war ersichtlich, daß ihm der Arm immer noch weh tat, und er trug einen Verband um den Kopf, der Duane an Cranes Die rote Tapferkeitsmedaille erinnerte. Er versuchte, sich Jim Harlen als Henry Fleming vorzustellen.
»Hast du auch gegraben?« fragte Duane.
Harlen schnaubte. »Im Leben nicht. Meine Aufgabe ist es, den Fusel zu verhökern, wenn wir ihn finden.«
»Glaubt ihr, daß der immer noch gut ist?« Duanes Stimme klang unschuldig.
»He, der reift mit dem Alter, oder nicht?« sagte Harlen. »Wein und so was sind nach einer Weile viel Geld wert, richtig?«
Mike O'Rourke grinste. »Wir sind aber nicht sicher, ob das bei Gin auch so ist. Was meinst du, Duane?«
Duane hob einen Zweig auf und zeichnete Muster in den frischen Erdhaufen, den sie ausgehoben hatten. Das Loch war so tief, wenn Lawrence den Kopf hineinsteckte, sahen nur die Füße von den Knien an heraus. Duane stellte fest, daß es trotzdem eigentlich kein Tunnel war -keine Spur von einer Höhle -, lediglich eine Mulde im Hang. Die neueste von vielen.
»Ich vermute, ihr werdet mehr Geld machen, wenn ihr die alten Autos verkauft, die drinnen sind«, sagte er und ließ sich auf das Spiel ein. Was konnte es schon schaden, wenn man sich eine prallvolle Höhle wenige Meter unter dem weichen Erdboden vorstellte? War das weiter hergeholt als die >Recherchen<, die er in den letzten zwei Wochen durchgeführt hatte?
Aber Duane wußte jetzt, daß seine Recherchen keineswegs so weit hergeholt waren. Er griff zur Brusttasche, dann fiel ihm ein, daß er sein Notizbuch zu Hause bei den anderen in seinem Versteck gelassen hatte.
»Klar«, sagte Dale. »Oder wir machen ein Vermögen mit Führungen durch die Anlage. Onkel Henry sagt, wir können elektrisches Licht legen und sonst alles unverändert lassen.«
»Klasse«, sagte Duane. »Übrigens hat eure Mom gesagt, ihr sollt ins Haus kommen und euch waschen. Sie haben Steaks auf dem Grill.«
Die Jungs zögerten und kämpften zwischen ihrer nachlassenden Fixierung und dem wachsenden Hunger. Der Hunger gewann die Oberhand.
Sie gingen in Harlens Tempo zurück, hielten die Schaufeln wie Gewehre über den Schultern, redeten und lachten. Die Milchkühe trotteten zum Stall zurück, sahen die Gruppe fragend an und machten einen großen Bogen um sie. Die Jungs waren noch hundert Meter vom letzten Zaun entfernt, da rochen sie schon das Aroma brutzelnder Steaks im Abendwind.
Sie aßen auf der Steinveranda an der Ostseite des Hauses,
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