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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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groß wie ein Tennisplatz (obwohl keiner der Gruppe, außer Dale und Duane, je einen Tennisplatz gesehen hatte) und bestand aus mehreren Ebenen angebauter Plattformen, Treppchen und Wege; sie bot Ausblick nach Westen bis zur Straße und Mr. Johnsons Feldern; im Süden konnte man über die Einfahrt sehen, den Swimmingpool, den Onkel Henry gebaut hatte, den Wald und manchmal sogar bis zum Friedhof Calvary, wenn die Bäume im Herbst ihr Laub verloren hatten; im Osten sah man auf Höhe des Heuschobers zum Stall und den Pferchen, und Dale stellte sich vor, er wäre ein mittelalterlicher Ritter, der von den Zinnen heruntersah und den Irrgarten der Schweinepferche, Futtertröge, Rampen, Hühnerställe und Hofumrandungen als Bollwerke seiner Festungswelt betrachtete.
    Auf der Terrasse standen noch mehr Adirondack-Stühle -massive, seltsam bequeme Gebilde aus Holzplanken, die jeden Winter in Onkel Henrys Werkstatt im Keller entstanden -, aber die Kinder entschieden sich immer für die Hollywoodschaukeln. Auf der südlichsten Plattform standen drei: zwei an Metallgestängen und eine an den Holzpfosten mit den Scheinwerfern für die fünf Meter tiefer gelegene Einfahrt. Die ersten, die dort waren - Lawrence, Kev und Mike -, zwängten sich auf diese Schaukel und schwangen gefährlich weit über das Geländer hinaus. Mütter ließen sie auf dieser Schaukel nicht aus den Augen, die Stimmen von Vätern wurden warnend laut, aber bis jetzt war noch niemand hinausgefallen - doch Onkel Henry schwor, daß er eines Sommerabends auf dieser Schaukel eingeschlafen war, am nächsten Morgen von Ben - seinem größten Hahn - geweckt wurde, einen Schritt in Richtung Bad gemacht hatte, wie er meinte - und sich plötzlich zwischen den Purina-Futtersäcken wiederfand, die unten auf der Pritsche des Lieferwagens gelagert waren.
    Sie zwängten sich auf die Schaukeln und schwangen hin und her und redeten und vergaßen darüber völlig, daß sie noch an der Schmugglerhöhle hatten arbeiten wollen. Es war sowieso zu dunkel. Der Himmel zeigte zwar noch etwas Blau, aber mehrere Sterne waren zu sehen, und von der Baumreihe südlich des Teichs waren keine Stämme mehr zu erkennen, nur eine einheitlich schwarze Linie. Glühwürmchen blinkten vor dem dunklen Hintergrund. Um den Teich herum und weiter unten am Hügel begannen Frösche und Laubfrösche ihren traurigen Chor. Schwalben flatterten unsichtbar in der Scheune, und irgendwo schrie ein Uhu.
    Die hereinbrechende Nacht schien die Unterhaltung der Erwachsenen auf der Veranda zu einem angenehmen Summen zu dämpfen, und sogar das Plappern der Kinder wurde leiser und verstummte eine Zeitlang völlig, so daß nichts zu hören war außer dem Knirschen der Schaukelseile und den nächtlichen Geräuschen am Hügel, während der Himmel sich den Sternen öffnete.
    Onkel Henry hatte die automatische Sicherheitsbeleuchtung abgeschaltet und die Terrassenlichter nicht angemacht, daher konnte Dale sich vorstellen, sie befänden sich auf dem Achterdeck eines Piratenschiffs unter dem tropischen Sternenzelt. Die Maisreihen auf der anderen Straßenseite erzeugten ein Geräusch, das sich ganz wie das Rauschen des Kielwassers eines Schiffes anhörte. Dale wünschte sich, er hätte einen Sextanten. Er spürte die Hitze des Tages und die verbrauchte Energie als Sonnenbrandwärme auf Wangen und Hals sowie Schmerzen in den Oberarmen und Beinen.
    »Seht mal«, sagte Mike leise, »ein Satellit.« Alle lehnten sich auf den Schaukeln zurück. Innerhalb der letzten halben Stunde war der Himmel merklich dunkler geworden, hier draußen, fernab der Stadt, konnte man die Milchstraße deutlich erkennen, und es bewegte sich tatsächlich etwas zwischen den Sternen. Ein Pünktchen, das zu hoch und schnell und schwach für ein Flugzeug war.
    »Wahrscheinlich Echo«, sagte Kevin mit seiner Professorenstimme. Er erzählte ihnen alles über den gewaltigen reflektierenden Ballon, den die Vereinigen Staaten in den Orbit schießen wollten, um Radiowellen um die Erdkrümmung herum zu senden.
    »Ich glaube, sie haben Echo noch gar nicht abgeschossen«, sagte Duane mit der schüchternen Stimme, die auch dann zum Vorschein kam, wenn er als einziger den Sachverhalt kannte. »Ich glaube, der soll im August gestartet werden.«
    »Was ist es dann?« fragte Kevin.
    Duane rückte die Brille an der Nase hoch und sah zum Himmel. »Wenn es ein Satellit ist, dann wahrscheinlich Tiros. Echo müßte richtig hell sein ... so hell wie ein Stern. Ich freue mich schon

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