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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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während Schatten das goldene Licht auf dem Rasen verschluckten. Rauch stieg vom Grill auf, den Onkel Henry hinter dem Brunnen beim Holzzaun gemauert hatte. Obwohl Mike betont hatte, Maiskolben und Salat und Brötchen und Dessert wären mehr als ausreichend, hatte Tante Lena zwei Katzenwelsfilets paniert und in der Pfanne für ihn gebraten, so daß sie besonders knusprig waren. Mit Fisch und Steak bekamen die Jungs zwei große Körbchen Zwiebelringe mit dem Gemüse, das vor einer Stunde aus dem Garten geholt worden war. Die Milch war eiskalt und sahnig und ebenfalls an diesem Tag in Onkel Henrys Stall gemolken und eingelagert worden.
    Sie aßen, während die Hitze des Tages nachließ. Eine Brise war aufgekommen, die die Schwüle vertrieb und in den Zweigen über dem Rasen raschelte. Die endlosen Maisfelder an der Westseite der Straße und im Norden schienen in einer seidigen Sprache zu flüstern.
    Die Jungs saßen ein Stück abseits auf Steinstufen und Blumenpflanzmaschinen - Tante Lena hatte zwölf Ar des Gartens mit Blumen an allen strategischen Stellen bepflanzt -, während die Erwachsenen im Kreis saßen und die Teller auf dem Schoß oder den breiten Armlehnen ihrer Holzstühle hatten. Onkel Henry hatte einen Krug seines selbstgebrauten Biers geholt und Gläser im Kühlschrank in der Garage vorgekühlt.
    Die Stimmen bildeten ein Medley, das Dale so vertraut war, daß er sich nicht vorstellen konnte, sie könnten eines Tages, und sei es nur teilweise, nicht mehr als Hintergrund da sein. Kevs schrilles Kichern und aufgeregte Stimme, Harlens bärbeißiger Sarkasmus, der stets Lachsalven auslöste, Mikes gesäuselte Anmerkungen, Lawrence schrill und hastig, als müßte er alles schnell herunterhaspeln, damit ihm überhaupt zugehört wurde, und Duanes seltene Bemerkungen. Die Stimmen der Erwachsenen waren gleichermaßen vertraut: Onkel Henrys krächzender Tonfall, mit dem er schilderte, wie er erst letzten Monat die Kühlerfigur eines 1928er Pierce Arrow gefunden hatte - ein todsicheres Zeichen, daß ein Gangster zur Schmugglerhöhle gefahren war und ein schlimmes Ende gefunden hatte; Tante Lenas heiseres Lachen -schlichtweg der sinnlichste und einmaligste menschliche Laut, den Dale je gehört hatte; die Stimmen seiner Eltern, die ihm so vertraut waren wie der Wind, der durch die Bäume wehte, sein Dad war heute entspannter denn je und erzählte lustige Erlebnisse aus seinem Vertreteralltag; das irgendwie pubertäre Kichern von Harlens Mom, hastig und aufgeregt, als hätte sie schon zuviel getrunken oder glaubte wie Lawrence, sie müßte sich beeilen, wenn sie sich überhaupt Gehör verschaffen wollte.
    Ihre Messer hinterließen hellrote Spuren auf den Papptellern. Alle holten sich einen Nachschlag, viele sogar zwei. Die riesige Salatschüssel wurde zunehmend leerer; die in Folie gewickelten Maiskolben auf dem Grill wurden nach und nach abgeräumt; Onkel Henry lachte und plänkelte, während er frische Steaks auf den Grill legte und mit einer langen Gabel in der Hand alle in seiner Schürze mit der Aufschrift >Kommt und holt's euch< anstrahlte.
    Nach dem Essen nahmen die Jungs ihren Nachtisch, selbstgebackener Rhabarberkuchen und Schokoladentorte - keiner begnügte sich mit nur einem Stück -, mit auf die Terrasse.
    Onkel Henry und Tante Lena hatten im Lauf der Jahre verschiedene Anbauten an ihr Haus gemacht, ohne je etwas fertigzustellen oder wirklich umzubauen, sie hatten sich einfach immer dem nächsten Projekt zugewandt: Dale erinnerte sich an ein weißes Holzhaus mit vier Zimmern, als er mit sechs Jahren zum Begräbnis seiner Großmutter von Chicago hergekommen war. Jetzt war das Haus selbst aus Backsteinen erbaut, hatte vier Zimmer im ersten Stock und einen ausgebauten Keller. Onkel Henry hatte die Garage im ersten Jahr angebaut, als die Stewarts nach Elm Haven gezogen waren; Dale wußte noch, wie er in ihrem Rohbau gespielt hatte, während Onkel Henry Schlackesteine zur richtigen Höhe aufgeschichtet hatte. Jetzt war die Garage riesig -sie bot drei Autos und einem weiteren Fahrzeug Platz - und am Südhang des flachen Hügels erbaut, wo das Haus stand, so daß man von der Garage aus direkt in die Werkstatt im Keller konnte, und darüber befand sich, an das Gästezimmer und das große Schlafzimmer angrenzend, die Terrasse.
    Die Kinder liebten die Terrasse am Abend, und sie wußten, früher oder später würden die Erwachsenen sich ebenfalls von der Steinveranda losreißen und heraufkommen. Die Terrasse war so

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