Sommer der Nacht
nicht zu verderben. Außerdem mußte er noch die Tiere füttern und im Garten Unkraut jäten, frühstücken, und er wollte vor zehn in die Stadt.
Duane hätte gerne auf eine Mitfahrgelegenheit gewartet - die Vorstellung gefiel ihm nicht, die letzten anderthalb Meilen auf der Jubilee College Road zu gehen-, aber er wußte, der Alte hatte sich die ganze Zeit beherrscht, damit er am Freitagabend im Carl's oder dem Black Tree seine richtige Sauftour starten konnte, und dann wollte Duane nicht mit ihm fahren.
Also ging er zu Fuß. Der Tag war hell und strahlend und sengend heiß. Duane knöpfte die drei obersten Knöpfe seines karierten Hemds auf und sah, wo das braungebrannte V aufhörte und die blasse Haut anfing.
Bei Mike O'Rourkes Haus am Stadtrand machte er Rast. Mike war nicht zu Hause, aber eine seiner älteren Schwestern sagte, Duane könne gerne am Brunnen im Hof etwas trinken. Duane trank in großen Zügen, schmeckte Eisen und andere Elemente im Wasser und spritzte sich anschließend Gesicht und Unterarme naß.
Als er an Mrs. Moons Verandatür klopfte, kam die alte Frau mit ihren Krücken und einer Gefolgschaft von Katzen zum Licht gehinkt.
»Kenne ich dich, junger Mann?« Duane fand, Mrs. Moons Stimme hörte sich wie die Parodie einer Altfrauenstimme an -hoch, zitternd, über die gesamte Skala der Modulation.
»Ja, Ma'am. Ich bin Duane McBride. Ich war ein paarmal mit Dale Stewart und Michael O'Rourke hier, als sie mit Ihnen spazierengegangen sind.« »Was hast du gesagt?« Duane seufzte und wiederholte alles lauter. »Ich bin noch nicht bereit für meinen Spaziergang. Ich habe noch nicht zu Mittag gegessen.« Mrs. Moon hörte sich quengelnd und ein wenig zweifelnd an. Die Katzenmeute scharwenzelte um ihre Krücken und rieb sich an den geschwollenen, fleischfarben bandagierten Beinen. Duane mußte an den Soldaten mit seinen Wickelgamaschen denken.
»Nein, Ma'am«, sagte er. »Ich wollte Ihnen nur ein paar Fragen über etwas stellen.«
»Fragen?« Sie wich einen Schritt in den Salon zurück. Das alte Haus war klein, aus weißem Holz und roch, als wäre es ein Zuhause für zahllose Generationen von Katzen gewesen, die nie ins Freie gegangen waren. »Ja, Ma'am. Nur ein paar.«
»Worüber?« Sie sah ihn kurzsichtig an, und Duane wurde klar, für sie mußte er nur ein rundlicher Schatten unter ihrer Haustür sein. Er wich einen Schritt zurück -das gerissene Vorgehen eines Vertreters, der zeigen will, daß er ehrfürchtig und keinerlei Bedrohung ist.
»Nur über... die alten Zeiten«, sagte er. »Ich schreibe einen Schulaufsatz darüber, wie das Leben in Elm Haven um die Jahrhundertwende gewesen ist. Ich habe mich gefragt, ob Sie so freundlich sein und mir... nun, etwas Atmosphäre liefern könnten?«
»Was?«
»Einzelheiten«, sagte Duane. »Bitte?«
Die alte Frau zögerte, drehte sich mit ungelenken Bewegungen beider Krücken um, wich mit ihrem Katzengefolge zurück und ließ ihn allein unter der Tür stehen. Duane zögerte.
»Nun«, sagte ihre Stimme aus dem Halbdunkel, »steh da nicht rum. Komm rein! Ich mach' uns einen Tee.«
Duane setzte sich, trank Tee, mampfte Kekse, stellte Fragen und hörte sich Geschichten von Mrs. Moons Kindheit und ihrem Vater und Elm Haven in der guten alten Zeit an. Mrs. Moon knabberte beim Erzählen Kekse; langsam aber sicher bildete sich ein Häufchen Krümel auf ihrem Schoß. Die Katzen sprangen abwechselnd aufs Sofa und fraßen die Krümel, während sie sie geistesabwesend streichelte.
»Und was ist mit der Glocke?« fragte er schließlich, nachdem er einen hinreichend guten Eindruck erhalten hatte, wie gut das Gedächtnis der alten Dame funktionierte.
»Glocke?« Mrs. Moon hielt mit Knabbern inne. Eine Katze streckte sich nach oben, als wollte sie ihr den Keks aus den Fingern stehlen.
»Sie haben einige der Besonderheiten der Stadt erwähnt«, drängte Duane. »Was ist mit der großen Glocke im Schulturm? Können Sie sich erinnern, daß darüber gesprochen wurde?«
Mrs. Moon sah einen Augenblick lang ratlos drein. »Glocke? Was soll denn dort für eine Glocke gewesen sein?«
Duane seufzte. Die ganze Geheimnistuerei war unsinnig. »Acht-zehnhundertsechsundsiebzig«, sagte er leise. »Mr. Ashley hat sie aus Europa mitgebracht...«
Mrs. Moon kicherte. Ihr oberes Gebiß war etwas locker und fiel klickernd auf den unteren Teil. Sie drückte es mit der Zunge hinauf. »Dummer Junge. Ich bin achtzehnhundertsechsundsiebzig geboren. Wie sollte ich mich an etwas im Jahr
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