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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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erkennen.
    Leichter Wind kam auf; Duane zitterte und machte die obersten Knöpfe seines Hemdes zu. Ich bleibe hier. Sie erwarten, daß ich zu Fuß zurückkehre, aber ich bleibe hier. Noch während er das dachte, fragte er sich, wer >sie< sein mochten.
    Plötzlich war das leiseste Flüstern einer Bewegung im Mais zu hören; Duane beugte sich nach vorne und sah, wie sich etwas zwischen den niederen Pflanzen bewegte ... dahinglitt. Ein anderes Wort gab es nicht für das, was er sah: Etwas Langes und Großes glitt mit wenig mehr als einem Rascheln wie Seide zwischen dem Mais dahin. Es war etwa fünfzehn Meter entfernt, und lediglich die schwache Bewegung der Pflanzen kennzeichnete sein Kielwasser.
    Wäre er auf dem Meer gewesen, dachte Duane, hätte er geglaubt, daß ein Delphin neben dem Schiff herschwamm und ab und zu mit einem glatten, glänzenden Rücken durch die Oberfläche brach.
    Das Sternenlicht glänzte tatsächlich, als etwas über die Höhe des Maises herauskam und wieder darunter verschwand, aber der feuchte Schimmer, den Duane sah, schien das Spiegeln von Sternenlicht auf Schuppen zu sein, nicht auf Haut.
    Der Gedanke, es könnte der Alte da draußen sein, der im niederen Mais herumtaumelte, verschwand völlig, während Duane das Kielwasser des Dings beobachtete, das im Gegenuhrzeigersinn einen gewaltigen Kreis beschrieb und sich schneller bewegte als es einem Menschen möglich gewesen wäre. Duane hatte den Eindruck, als würde sich eine gigantische Schlange durch den Mais bewegen, ein Ding mit einem Körper so dick wie der von Duane selbst. Etwas, das viele Meter lang war.
    Duane gab einen Laut wie ein verschlucktes Lachen von sich. Das war Irrsinn.
    Das Ding im Mais hatte ein Viertel des Umkreises seines Weges um den Mähdrescher zurückgelegt, als es den kahlen Streifen erreichte, wo die Maschine die Pflanzen abgeerntet hatte.
    Das Kielwasser lief so glatt aus wie bei einem Fisch, der das Ende seines Spielraums an einem Angelhaken erreicht, machte kehrt und lief entlang derselben unsichtbaren Linie nach Süden. Duane hörte ein Geräusch und kroch zum anderen Ende des Dachs. Auf der Westseite der Maschine kroch etwas gleichermaßen Großes und Stummes durch den Mais. Duane stellte fest, daß die Dinger jedesmal, wenn sie das Ende ihres Kreises erreichten, etwa dreißig Zentimeter einwärts rückten.
    O Scheiße, hauchte Duane im präzisen Ton eines Gebets. Er würde auf jeden Fall auf dem Mähdrescher bleiben. Wenn er zurückgegangen wäre, als es logisch erschien, würden diese beiden Dinger jetzt neben ihm hergleiten.
    D ÖS ist Wahnsinn. Er verdrängte diesen Gedanken. Es war Wahnsinn ... unmöglich... und doch geschah es. Duane spürte das kalte Metall der Dreschmaschine unter Handflächen und Unterarmen, roch die kühle Luft und feuchte Erde und wußte, so unmöglich es war, es passierte wirklich. Er mußte sich damit auseinandersetzen und nicht einfach so tun, als wäre es gar nicht da.
    Das Sternenlicht spiegelte sich auf etwas Langem und Glitschigem, während die beiden Schlangen-Schnecken-Wesen ihre unermüdlichen Kreise beschrieben. Duane mußte an ein Neunauge denken, das er einmal im Spoon River gefangen hatte, als er mit Onkel Art angeln gewesen war. Das Ding hatte nur aus einem Maul und Zahnreihen bestanden, die in einen roten Schlund hinabführten und nur darauf warteten, bis sie etwas packen und ihm die Lebenssäfte aussaugen konnten. Duane hatte monatelang Alpträume gehabt. Er beobachtete, wie die Dinger auf ihren Patrouillen aneinander vorbeiglitten und lediglich mit einem leisen Rascheln und der Andeutung einer Bewegung ihren Standort verrieten.
    Ich bleibe bis zum Morgen hier. Und dann? Duane wußte, es war noch nicht Mitternacht. Was wollte er machen, wenn er die fünf Stunden bis zum Morgen durchhielt? Vielleicht würden die Dinger bei Tageslicht verschwinden. Wenn nicht, konnte er auf dem Dach stehen, das Hemd als Flagge benützen und dem Verkehr auf der County Six winken. Jemand würde ihn sehen.
    Duane trat von der Kabine auf den Getreidetank und sah hinter den Mähdrescher. Nichts war in der Nähe. Falls die kreisenden Bewegungen näher zur Maschine kommen würden, konnte er in Null Komma nichts wieder aufs Dach springen.
    Ein Geräusch von der so weit entfernten Einfahrt, das Geräusch eines Lastermotors, keine Scheinwerfer. Es war der Alte! Er kam zurück.
    Duane stellte fest, daß das Motorengeräusch nicht das richtige war, und im selben Augenblick konnte er das Fahrerhaus

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