Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
aus und duschte in der Ecke unten, aber anstatt einen Pyjama anzuziehen, zog Duane eine alte Cordhose, Halbschuhe und ein geflicktes aber sauberes Flanellhemd an. Er war müde; der lange Tag lag wie eine Zentnerlast auf ihm, aber sein Verstand war hellwach, daher dachte er, er könnte ein bißchen schreiben. Da er die Tür abgeschlossen hatte, mußte er sowieso auf den Alten warten. Er stellte das Radio auf WHO in Des Moines und machte sich an die Arbeit.
    Versuchte es jedenfalls. Seine Skizzen und Aufzeichnungen kamen ihm nun kindisch und leer vor. Er fragte sich, ob er versuchen sollte, eine ganze Geschichte zu schreiben. Nein, dazu war er noch nicht bereit. Sein Zeitplan sah vor, daß er sich frühestens im nächsten Jahr an einer vollständigen Geschichte versuchte. Duane betrachtete seine Notizbücher voll Charakterstudien; Übungen im Schildern von Action-Szenen; Übungen, bei denen er verschiedene Schriftsteller und deren Stil nachgeahmt hatte - Hemingway, Mailer, Capote, Irwin Shaw -, seine Helden. Er seufzte, verstaute alles in seinem Versteck, legte sich aufs Bett und stützte die Schuhe auf das Metallgitter des Fußendes. Im vergangenen Winter war er aus seinem Bett herausgewachsen, daher mußte er jetzt diagonal schlafen, Füße an der Wand, oder die Beine anziehen. Er hatte es dem Alten noch nicht gesagt. Momentan konnten sie es sich nicht leisten, ein neues Bett zu kaufen. Duane wußte, im ersten Stock stand ein überzähliges, unbenutztes Bett - aber das war das Bett seines Vaters und seiner Mutter gewesen, als sie noch gelebt hatten, und er wollte nicht darum bitten.
    Er sah zur Decke und dachte an Mrs. Moon, die Glocke und das fast unglaubliche Netz von Fakten, Hirngespinsten, Mutmaßungen und Schlußfolgerungen, die sich darum rankten. Onkel Art hatte die Ansätze erkannt. Wenn er die Geschehnisse von 1900 gekannt hätte, was hätte er dann gedacht? Duane fragte sich, ob er es den anderen Jungs verschweigen sollte.
    Nein, sie haben ein Recht, es zu erfahren. Was auch passiert, es passiert auch mit ihnen.
    Diane war gerade am Eindösen, als er den Laster des Alten die Einfahrt entlangkommen hörte.
    Duane schlurfte verschlafen nach oben, ging durch die dunkle Küche und machte die Verandatür auf. Er war schon halb die Kellertreppe unten, als ihm auffiel, daß er den Motor des Pritschenwagens immer noch hören konnte; das Geräusch des fehlenden Zylinders war unmißverständlich. Duane ging zurück zur Tür.
    Der Laster parkte mitten auf dem Hof, die Fahrertür stand offen, die Scheinwerfer brannten noch. Das Licht im Fahrerhaus war an, Duane sah, daß es leer war. Plötzlich ertönte ein Dröhnen aus der Scheune, bei dem Duane unwillkürlich einen Schritt in die Küche zurückwich. Er sah, wie der Mähdrescher aus dem großen Südtor kam und den neun Meter langen Maisernter wie eine Planierraupenschaufel mit scharfen Klingen vor sich herschob. Duane sah, wie sich das Scheinwerferlicht auf rotierenden Rädern und laufenden Ketten spiegelte und wurde sich bewußt, daß der Alte die roten Schutzbleche der acht Ernteeinheiten noch nicht wieder befestigt hatte.
    Aber das Tor zu den südlichen Feldern hatte er geöffnet, stellte Duna fest, während die riesige Maschine über den Hof und ins Maisfeld polterte. Er sah ganz flüchtig seinen Vater als Umriß in der offenen Kabine - der Alte haßte verglaste Kabinen und benützte eben deshalb eine der älteren, offenen Dreschmaschinen-, dann war die Maschine im Mais.
    Duane stöhnte. Der Alte war schon öfter betrunken heimgekommen und hatte den Laster beschädigt, aber noch nie eine der Landmaschinen kaputtgemacht. Ein neuer Mähdrescher oder eine Ernteeinheit für den Traktor würde ein Vermögen kosten.
    Duane lief in Hausschuhen über den Hof und versuchte, über das Dröhnen des Motors hinweg zu brüllen. Es war sinnlos. Die Dreschmaschine drang in die erste Reihe ein und fraß sich nach Süden vor. Der Mais war erst rund vierzig Zentimeter hoch und hatte noch keine Kolben, aber das wußte die Erntemaschine nicht; Duane stöhnte wieder, als er sah, wie die schwachen Pflanzen sich bogen und abbrachen, wie die acht Sammelheber sie zu den Ketten führten, die sie wiederum zu den langen Metallschnappklingen brachten. Die Ketten dort zogen die Stengel zwischen die Räder und hätten Kolben abgetrennt, wären welche dagewesen.
    Staub und Spreu der Maisstauden flogen durch die Luft, als die Mähmaschine nach rechts schwenkte, dann nach links und dann gerade

Weitere Kostenlose Bücher