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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Innern.
    Duane keuchte und wich zurück. Die dunkle Gestalt stand noch.
    Sie hatte beide Hände um Duanes linken Arm geklammert. Du- ane wollte sich losreißen, schaffte es aber nicht. Er schlug mit der Schraubenzieherspitze nach der Hand.
    Etwas Schweres traf Duane im Nacken, er fiel hin und trat um sich; Blut von seinem linken Bein hatte inzwischen die Hose getränkt und sein Hemd bespritzt. Seine Brille flog in die Nacht. Er hatte beide Hausschuhe verloren, an seinen Füßen klebte Schlamm, während er panisch nach den Gestalten trat, die sich ihm näherten. Etwas Langes und Feuchtes glitt an seinem Gesicht vorbei und vergrub sich im Boden. Er wollte danach stechen, mußte aber feststellen, daß ihm der Schraubenzieher aus der Hand gewunden worden war. Viele Finger griffen mittlerweile nach seinen Armen und zerrten daran.
    Mindestens vier hielten ihn fest. Eine Knochenhand wurde auf sein Gesicht gedrückt und zwang seine Wange in den Lehm. Duane biß in die Hand, kaute Fleisch, das wie Hähnchen schmeckte, das zu lange in der Sonne gelegen hatte, spie es aus und spürte, wie seine Zähne auf Knochen bissen. Die Hand ließ nicht locker. Er sah flüchtig das von Lepra und Fäulnis zerfressene Gesicht einer alten Frau.
    Das ist ein Alptraum, betete er, wußte aber, daß es keiner war. Etwas - nicht das Schlangenmonster - nagte an seinem anderen Bein und knurrte wie ein tollwütiger Hund.
    Witt, dachte er und spürte, wie die Hoffnungslosigkeit schließlich wie eine Flutwelle über ihm zusammenschlug, hilfmir!
    Jemand duckte sich neben seinem Kopf, stellte ihm einen schweren Stiefel auf die Wange und drückte ihn tiefer in den Lehm. Eine abgebrochene Maisstaude riß ihm die Kopfhaut auf. Ein Geräusch war zu hören, als würde eine große Katze einen Fellballen auswürgen.
    Noch ein Geräusch. Die Welt dröhnte und kreiste jetzt um ihn herum, doch während Duane am Rand der Bewußtlosigkeit taumelte und mit einem klinischen, distanzierten Teil einsah, daß diese ebensosehr von Schock und Angst wie vom Blutverlust herrührte, wurde ihm klar, worum es sich bei diesem Dröhnen handelte.
    Der Mähdrescher war angelassen worden. Er kam in der Dunkelheit auf ihn zugefahren. Duane hörte, wie Mais-pflanzen ausgerissen, zerkaut und ins ungeschützte Maul der Enthülserrollen gezogen wurden. In der Luft lagen die Gerüche von Verwesung mit denen von frisch geernteten Pflanzen im Widerstreit.
    Duane bemühte sich aufzustehen, trat um sich, biß und versuchte, eine Hand freizubekommen, damit er nach den dunklen Gestalten und Gewichten greifen konnte, die ihn niederdrückten. Der Stiefel auf seinem Gesicht übte stärkeren Druck aus. Duane spürte, wie sein Wangenknochen brach, hielt aber nicht inne mit seinem wütenden Bemühen, aufzustehen, gegen diese Gestalten zu kämpfen und auf die Beine zu kommen.
    Plötzlich erfolgte eine Bewegung, der Gestank um ihm herum veränderte sich, er konnte kurz die Sterne sehen, und dann füllten Lärm und Masse des Mähdreschers die ganze Welt aus.
    In dem Augenblick, als der Stiefel von seinem Gesicht verschwand, hob Duane den Kopf aus dem Lehm. Ein gewaltiger Sog ergriff seine Beine, eine unwiderstehliche Kraft hob ihn hoch und drehte ihn herum und zog ihn auf den Strudel zu, den er mit jeder Faser seines Körpers spüren konnte, aber einen Sekundenbruchteil, den allerkürzesten Augenblick, war er frei - er konnte die Sterne sehen - und hob ihnen das Gesicht entgegen, während er in die Dunkelheit gezogen wurde, die unter ihm und um ihn herum dröhnte.
    In Elm Haven war Mike O'Rourke in Memos Zimmer eingenickt, während er mit einem Baseballschläger über den Knien in dem Polstersessel vor dem Fenster saß. Er erwachte ruckartig, als er ein Geräusch hörte.
    Am Südrand der Stadt schreckte Jim Harlen aus seinem Alptraum von dem Gesicht am Fenster hoch. Es war dunkel im Zimmer. Sein Arm schmerzte vom Knochen heraus, und er hatte einen schrecklichen Geschmack im Mund. Ihm wurde klar, daß ihn ein ferner, aber gewaltiger Lärm geweckt hatte.
    Kevin Grumbacher hatte geträumt, als ihn etwas weckte und er sich im Bett aufrichtete und in der sterilen Dunkelheit seines Zimmers nach Luft schnappte. Ein Geräusch hatte ihn geweckt. Kevin lauschte, hörte aber nur das laute Summen der Klimaanlage durch die Lüftungsgitter. Dann hörte er es wieder. Und wieder.
    Dale wachte mit einem Ruck auf, genauso wie immer, wenn er einschlief und träumte, daß er fiele. Sein Herz klopfte, als wäre etwas

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