Sommer der Nacht
»Warum.«
Cordie schüttelte den Kopf, als wäre er der Langsamste auf der Welt. »Weil er mein' Bruder umgebracht und sein Körper-Ding auf mich gehetzt hat«, sagte sie geduldig. »Diesen Sommer geht was verflucht Merkwürdiges ab. Mama weiß es. Papa auch, aber der ist nie da und kriegt nix mit.«
»Du hast ihn nicht umgebracht?« sagte Harlen. Plötzlich war der Wald um sie herum dunkel und geheimnisvoll.
»Wen getötet?«
»Roon.«
»Nee.« Sie seufzte. »Ich war zu weit weg. Die Schrotkugeln haben seinem Scheißplymouth nur die Seite durchsiebt und ihn ein wenig am Arm verletzt. Vielleicht hab' ich ihn auch am Arsch erwischt, aber ich bin nicht sicher.«
»Wo?«
»Am Arm und am Arsch«, wiederholte sie ergeben.
»Nein, ich meine, wo hast du auf ihn geschossen? In der Stadt?«
Cordie setzte sich auf die Böschung. Zwischen den mageren, blassen Schenkeln konnte man ihr Unterhöschen sehen. Harlen hätte nie gedacht, daß er einmal den Schlüpfer eines Mädchens -am Körper - sehen würde, ohne daß ihn der Anblick interessierte. Jetzt interessierte er ihn nicht. Ihre Unterhose war so grau wie ihre Socken. »Wenn ich ihn in der Stadt angeschossen hätte, Pißkopf, meinste nicht, daß ich dann im Gefängnis wäre oder so?«
Harlen nickte.
»Nn-nnn. Ich hab' auf ihn geschossen, als er draußen bei der Talgfabrik war. Als er grad aus seinem elenden Auto ausgestiegen ist. Ich war näher ran, aber der Wald hört etwa zehn, zwölf Meter vor dem Tor auf. Er hat gehinkt ... darum glaub' ich, daß ich ihn am Arsch erwischt hab', ich konnte sehen, wo der Stoff von seinem Anzug zerrissen war... dann ist er in den Laster gesprungen und mit Van Syke abgehauen. Ich glaube, sie haben mich gesehen.«
»Welchen Laster?« fragte Harlen. Er wußte es.
»Du weißt, welchen Laster«, seufzte Cordie. »Den gottverdammten Abdeckereilaster.« Sie packte Harlen am Handgelenk und zerrte heftig. Er plumpste auf der Eisenbahnböschung neben ihr auf die Knie. Irgendwo im Wald fing ein Specht an zu klopfen. Harlen konnte ein Auto oder einen Laster eine Viertelmeile südlich auf der Catton Road hören.
»Hör mal«, sagte Cordie, die sein Handgelenk nicht losließ, »man braucht nicht viel Grips, um zu wissen, daß du was in Old Central gesehen hast. Darum bist du gestürzt und hast dich wundgekloppt. Und vielleicht hast du noch was anderes gesehen.«
Harlen schüttelte den Kopf, aber sie beachtete ihn gar nicht.
»Deinen Freund haben sie auch umgebracht«, sagte sie. »Duane. Weiß nicht, wie sie's gemacht haben, aber ich weiß, daß sie es waren.« Sie wandte sich ab; ihr Gesicht nahm einen seltsamen, entrückten Ausdruck an. »Komisch, ich bin in Duanes Klasse, seit wir zusammen im Kindergarten waren, aber ich weiß nicht, ob er je was zu mir gesagt hat. Aber ich fand immer, daß er ein netter Kerl war. Hat immer viel gedacht, aber das mach' ich ihm nicht zum Vorwurf. Hab' mir imma vorgestellt, er und ich würden mal'n Spaziergang machen, nur über Sachen reden und ...« Ihr Blick wurde wieder klar, sie betrachtete Harlens Handgelenk. Ließ es los. »Hör mal, du bist nich hier und ballerst mit der Knarre von deinem Dad rum, weil du es satt hast, deinen Piephahn zu wichsen, und frische Luft brauchst. Du hast eine Scheißangst. Und ich weiß, was dir Angst gemacht hat.«
Harlen holte tief Luft. »Okay«, sagte er mit krächzender Stimme. »Was machen wir jetzt?«
Cordie Cooke nickte, als würde es Zeit werden. »Wir trommeln deine Kumpels zusammen«, sagte sie. »Alle, die was von dieser Sache mitgekriegt haben. Wir trommeln sie zusammen und stellen Roon und den anderen nach - den Toten und den Lebenden. Schließlich sind alle hinter uns her.«
»Und was dann?« Harlen beugte sich so weit zu ihr, daß er die feinen Härchen auf Cordies Oberlippe sehen konnte.
»Dann bringen wir die Lebenden um«, sagte Cordie, lächelte und ließ graue Zähne sehen. »Wir töten die Lebenden und die Toten... - nun, uns wird schon was einfallen.« Plötzlich streckte sie die Hand aus, griff Harlen zwischen die Beine und knetete sanft durch die Jeans seinen Pimmel.
Er zuckte zusammen. Das hatte noch kein Mädchen gemacht. Und jetzt, wo es eins machte, überlegte er sich allen Ernstes, ob er sie erschießen sollte, damit sie losließ.
»Willst du ihn nicht da rausholen?« flüsterte sie mit dem Zerrbild einer verführerischen Stimme. »Sollen wir uns beide nackt ausziehen? Ist niemand in der Nähe.«
Harlen leckte sich die Lippen. »Jetzt
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