Sommer der Nacht
Priester. »Hier, nimm noch einen Keks.«
Mike hatte immer noch keinen Appetit, aber er nahm den Keks. »Ich brauche Hilfe, Pater«, sagte er beim Kauen. »Ihre Hilfe.«
»Jederzeit, Michael«, sagte der Priester. »Jederzeit.«
Mike holte tief Luft, dann fing er an und erzählte die ganze Geschichte. Er hatte sich in den klaren Perioden seines Fiebers dazu entschlossen, aber als er nun angefangen hatte, hörte es sich noch verrückter an, als er dachte. Dennoch machte er weiter.
Als er fertig war, folgte ein kurzes Schweigen. Pater Ca-vanaugh sah ihn mit umwölkter Stirn und nachdenklichem Blick an. Der Fünf-Uhr-Bartschatten des Priesters war deutlich zu sehen.
»Michael, das ist doch alles dein Ernst, oder? Du nimmst mich nicht auf den Arm?«
Mike sah ihn nur an.
»Nein, bestimmt nicht.« Pater C. stieß einen langen Seufzer aus. »Du glaubst also, du hast den Geist dieses Soldaten gesehen ...«
»Nn-nnn«, entgegnete Mike nachdrücklich. »Das heißt, ich glaube nicht, daß es ein Geist war. Ich sah, wie er das Fliegengitter nach innen gedrückt hat. Er war - solide.«
Pater C. nickte und sah Mike weiterhin durchdringend an. »Aber es kann sich ja schwerlich um den William Campbell... wie auch immer ... gehandelt haben ...«
»Phillips.«
»William Campbell Phillips, ja. Er kann es kaum gewesen sein, nach zweiundvierzig Jahren ... demnach sprechen wir von einem Geist oder einer Art spiritueller Manifestation, korrekt?«
Jetzt war Mike an der Reihe zu nicken.
»Und was soll ich jetzt tun, Michael?«
»Einen Exorzismus, Pater. Ich habe in True darüber gelesen und...«
Der Priester schüttelte den Kopf. »Michael, Michael... Exorzismen waren ein Produkt des Mittelalters, eine Art Volkszauber, um Dämonen aus Menschen auszutreiben, als jeder noch glaubte, von Krankheiten über wundgelegene Stellen würde alles von Dämonen verursacht werden. Du glaubst doch nicht etwa, daß diese... diese Erscheinung, die du im Fieber gesehen hast, ein Dämon war, oder?«
Mike verbesserte den Priester nicht in bezug auf wann er den Soldaten gesehen hatte. »Ich weiß nicht«, sagte er wahrheitsgemäß. »Ich weiß nur, er ist hinter Memo her und ich bin der Meinung, Sie können etwas dagegen tun. Werden Sie mich zum Friedhof begleiten?«
Pater Cavanaugh runzelte die Stirn. »Der Friedhof Cal-vary ist geweihter Boden, Michael. Ich könnte dort wenig tun, das nicht schon getan worden wäre. Die Toten ruhen dort in Frieden.«
»Aber ein Exorzismus ...«
»Ein Exorzismus soll dazu dienen, Geister aus einem Körper oder einem Ort zu vertreiben, von dem sie Besitz ergriffen haben«, unterbrach ihn der Priester. »Du möchtest doch nicht andeuten, daß der Geist dieses Soldaten entweder in deine Großmutter oder dein Haus gefahren ist, oder?«
Mike zögerte. »Nein... «
»Und Exorzismen wendet man gegen dämonische Mächte an, nicht gegen die Geister der Verstorbenen. Du weißt doch, daß wir für unsere Toten beten, Michael, oder nicht? Wir geben uns nicht primitiven Stammesaberglauben hin, wonach die Seelen der Toten böse sind - daß man ihnen aus dem Weg gehen sollte.«
Mike schüttelte verwirrt den Kopf. »Aber werden Sie mit mir zum Friedhof kommen, Pater?« Er wußte nicht, warum das so wichtig war, er wußte nur, es war wichtig.
»Selbstverständlich. Wir können gleich gehen.«
Mike sah zu den Pfarrhausfenstern. Es war fast dunkel. »Nein, ich habe gemeint morgen.«
»Morgen muß ich gleich nach der Messe nach Peoria fahren, weil ich einen Freund von den Jesuiten treffen möchte«, sagte der Priester. »Ich werde erst sehr spät zurückkommen. Dienstag und Mittwoch werde ich in St. Mary's in Klausur verbringen. Hat es bis Donnerstag Zeit?«
Mike biß sich auf die Lippen. »Gehen wir jetzt«, sagte er. Es war immer noch etwas Licht. »Können Sie etwas mitnehmen?«
Pater Cavanaugh, der sich gerade eine Windjacke überstreifte, hielt inne. »Was meinst du damit?«
»Sie wissen schon, ein Kruzifix. Noch besser wäre eine Hostie vom Altar. Irgend etwas, falls er da ist.«
Der Priester schüttelte den Kopf. »Der Tod deines Freundes hat dich betroffen gemacht, Michael, richtig? Leben wir jetzt in einem Vampirfilm? Möchtest du, daß ich den Leib des Herrn wegen eines Spiels aus dem Aller-heiligsten hole?«
»Darm eben etwas Weihwasser«, sagte Mike. Er zog ein Plastik-fläschchen aus der Tasche. »Ich hab' die hier mitgebracht.«
»Na gut«, seufzte Pater C. »Hol deine flüssige Munition, derweil fahre
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