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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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senkte sich Pater Cavanaughs zapelnder Gestalt entgegen.
    »Mein Gott!« rief Pater C. aus. Der Ausruf wurde abgewürgt, als sich der Soldat auf ihn erbrach. Mike wich zurück und riß vor Entsetzen die Augen auf, als er sah, daß die Sturzflut, die sich aus dem langgezogenen Kiefer ergoß, eine braune und zuckende Masse von Maden war.
    Die Maden fielen auf das Gesicht von Pater C., auf Hals und Brust. Sie purzelten auf die geschlossenen Lider des Priesters und kullerten ihm in den offenen Hemdkragen. Einige fielen ihm in den offenen Mund.
    Pater Cavanaugh würgte und wimmerte; er versuchte, die lebenden Maden aufs Gras zu spucken, versuchte den Kopf auf die Seite zu drehen. Aber der Soldat beugte sich weiter über ihn, sein Gesicht wurde noch länger, und hielt den Kopf des Priesters mit unvorstellbar langen Fingern fest wie ein Liebender, der das Antlitz seiner Geliebten für einen langersehnten Kuß festhält. Immer noch ergossen sich Maden aus den aufgeblähten Wangen und dem offenen Rüsselmaul.
    Mike ging weiter, dann blieb er stehen, und sein Herzschlag schien auszusetzen, so groß war die neue Stufe des Grauens, als er sah, wie sich einige der braunen Maden auf der Brust von Pater C. krümmten und sich dann ins Fleisch hineingruben. In Pater Cavanaugh verschwanden. Andere bohrten sich in die Wangen und den verkrampften Hals des Priesters.
    Mike kreischte und griff nach dem abgebrochenen Ast, dann fiel ihm die Plastikflasche in der Tasche ein.
    Er packte den wulstigen Stoff am Kragen des Soldaten, spürte die derbe Wolle und die abscheuliche Substanz darunter, und entleerte die Flasche den Rücken des Dings hinunter, wobei er ebensowenig Reaktion wie beim Segnen des Grabes erwartete.
    Aber es erfolgte eine gewaltige Reaktion.
    Das Weihwasser erzeugte ein Geräusch wie von Säure, die sich durch Fleisch frißt. Eine Reihe Löcher erschienen in dem Khakistoff, die sich über den Rücken zogen wie Maschinengewehrkugeln. Der Soldat gab ein Geräusch wie ein großes Tier von sich, das in brühend heißes Wasser geworfen wurde, mehr Zischen und Gurgeln als Schrei, und krümmte sich nach hinten, wobei er sich unmöglich weit streckte, bis die Rückseite seines wächsernen Kopfes beinahe die Fersen der Kampfstiefel berührte. Arme ohne Knochen zuckten und peitschten wie Tentakel, die Finger waren jetzt zwanzig Zentimeter lang und mit scharfen Klauen versehen.
    Mike sprang zurück und schüttete dem Ding den letzten Rest aus der Flasche auf die Vorderseite.
    Schwefelgestank machte sich breit, das Hemd des Soldaten brach an der Vorderseite in grüne Flammen aus, die Kreatur rollte mit unfaßbarer Geschwindigkeit davon und wand und krümmte sich dabei, wie es einem menschlichen Skelett unmöglich gewesen wäre. Pater Cavanaugh rollte sich ebenfalls weg und blieb würgend an einem Grabstein liegen.
    Mike kam einen Schritt nach vorne, dachte daran, daß er nun sein ganzes Weihwasser aufgebraucht hatte, und blieb fünf Schritte vom Kreis der Wacholderbäume entfernt stehen, wo der Soldat sich in der Dunkelheit wand, Gesicht und Unterarme auf den flachen Boden drückte und sich eingrub - er glitt so mühelos in die schwarze Erde und die trockenen Nadeln wie die Maden sich in den Körper von Pater C. gebohrt hatten.
    Der Soldat war innerhalb von zwanzig Sekunden verschwunden und nicht mehr zu sehen. Mike ging näher hin, sah den rohen Tunnel, roch den Gestank von Abwasser und verwesendem Fleisch und blinzelte, als der Tunnel einstürzte, zurieselte und zu einer weiteren Vertiefung frisch aufgeworfener Erde wurde. Er drehte sich wieder zu Pater C. um.
    Der Priester hatte sich auf die Knie hochgerappelt, beugte sich allerdings über den Grabstein, hielt den Kopf gesenkt und erbrach sich mehrmals, bis er nichts mehr zum Erbrechen in sich hatte. Von den Maden war keine Spur mehr zu erkennen, abgesehen von roten Malen auf Wangen und Brust. Er hatte anscheinend selbst das Hemd aufgerissen, um sie zu finden. Zwischen trockenem Würgen und keuchenden Atemzügen flüsterte der Priester: »O Heiland, Heiland, Heiland, Heiland.« Es war eine Litanei.
    Mike holte tief Luft, kam näher und legte die Arme um den Mann.
    Jetzt weinte Pater Cavanaugh. Er duldete, daß Mike ihm auf die Füße half; er stützte sich auf Mike, als sie zum Tor des Friedhofs stolperten.
    Inzwischen war es ziemlich dunkel. Das Papstmobil war ein dunkler Umriß hinter dem schwarzen Schmiedeeisen. Jeder Lufthauch raschelte in den Blättern und dem Mais gegenüber,

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