Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
Vom Netzwerk:
dreimal Klingeln bedeutete einen Anruf für Swede Olafson unten an der Straße. Das Telefon läutete zweimal, verstummte, läutete wieder zweimal.
    »Duane«, ertönte Dale Stewarts Stimme. »Ich hab' gedacht, du würdest deine Arbeit machen.«
    »Hab' meine Arbeit schon gemacht«, sagte Duane.
    »Ist dein Dad daheim?«
    »Der ist nach Peoria einkaufen gefahren.«
    Schweigen. Duane wußte, auch Dale wußte, daß die samstägli-chen >Einkaufsausflüge< von Duanes Altem manchmal bis spät in die Samstagnacht dauerten.
    »He, wir treffen uns um halb zehn bei der Höhle. Mike hat uns was zu sagen.«
    »Wer ist >wir    »Du weißt schon«, sagte Dale. »Mike und Kevin und Harlen und vielleicht Daysinger. Ich weiß nicht. Ich habe gerade vorhin seine Nachricht mit der Zeitung bekommen.«
    »Was ist mit Lawrence?« Duane sah über das Meer des wachsenden Mais hinaus - fast kniehoch -, das sich auf beiden Seiten des langen Schotterwegs zu ihrem Haus erstreckte. Als seine Mutter noch lebte, hatte sie verboten, daß etwas Höheres als Bohnen auf den umliegenden achthundert Ar angebaut wurde. »Ich fühle mich zu isoliert, wenn der Mais hochwächst«, hatte sie Onkel Art einmal erzählt. »Zu klaustrophobisch.« Der Alte hatte ihr den Gefallen getan und Bohnen gepflanzt. Aber Duane konnte sich nicht mehr an die Zeit erinnern, als der Sommer nicht bedeutet hatte, daß ihre Farm langsam, aber sicher vom Rest der Welt abgeschnitten wurde. >Hüfthoch am vierten Juli<, lautete eine alte Bauernregel über den Mais, aber normalerweise war der Mais in diesem Teil von Illinois am vierten Juli schon schulterhoch für Duane. Und nach diesem Tag war es so, daß der Mais nicht mehr wuchs, sondern das Farmhaus schrumpfte. Duane konnte nicht einmal mehr die Landstraße am Ende des Weges sehen, wenn er nicht in den ersten Stock raufging und über den Mais hinwegblickte. Und weder er noch sein Alter gingen noch in den ersten Stock.
    »Was soll mit Lawrence sein?« sagte Dale.
    »Kommt er mit?«
    »Logisch kommt er mit. Du weißt doch, daß er immer mit uns rumhängt.«
    Duane lächelte. »Ich wollte nur nicht, daß du deinen kleinen Bruder vergißt«, sagte er.
    Ein verzweifelter Laut drang durch die Leitung. »Hör zu, Duane, kommst du oder nicht?«
    Duane dachte an die Arbeit, die er heute auf der Farm erledigen mußte. Er konnte sich glücklich schätzen, wenn er bis Einbruch der Dunkelheit fertig wurde, auch wenn er jetzt gleich damit anfing. »Ich hab' ziemlich viel zu tun, Dale. Du weißt nicht, was Mike vorhat?«
    »Nun, ich bin nicht sicher, aber ich glaube, es hat etwas mit Old Central zu tun. Tubby Cookes Verschwinden. Du weißt schon.«
    Duane überlegte. »Ich bin da. Halb zehn, hm? Wenn ich jetzt gleich losmarschiere, dürfte ich bis dahin dort sein.«
    »Himmel«, sagte Dale, dessen Stimme blechern durch die Leitung tönte, »hast du immer noch kein Rad?«
    »Wenn Gott wollte, daß ich ein Rad habe«, sagte Duane, »wäre ich mit dem Nachnamen Schwinn auf die Welt gekommen. Bis bald.« Er legte auf, bevor Dale antworten konnte.
    Duane ging nach unten, holte sein Notizbuch mit der Studie über Old Central, zog eine Mütze mit der Aufschrift CAT auf und rief seinem Hund. Witt kam sofort. Der Name war die Kurzform von Wittgenstein, einem Philosophen, über den der Alte und Onkel Art andauernd zankten. Der alte Collie war fast blind und bewegte sich mit den langsamen, schmerzhaften Bewegungen der Arthritis, aber er spürte, daß Duane wegging, und kam mit dem freudigen Schwanzwedeln, das bedeutete, er war bereit für den Ausflug.
    »Nn-nnn«, sagte Duane, der sich Sorgen machte, der Spaziergang bei dieser Hitze könnte zuviel für seinen alten Freund sein. »Du bleibst heute hier, Witt. Bewachst das Anwesen. Ich bin zum Mittagessen wieder da.«
    Die vom grauen Star umwölkten Augen des Collie sahen gekränkt und inständig zugleich drein. Duane streichelte ihn, führte ihn zum Stall und vergewisserte sich, daß der Wassernapf voll war. »Scheuch die Einbrecher und Maismonster fort, Witt.«
    Der Collie fügte sich mit einem Hundeseufzen und ließ sich auf der Decke

Weitere Kostenlose Bücher