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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Rumpeln, daß es sich anhörte, als würde oben ein Wohnmobil fahren. Das Fahrzeug kam mit quietschenden Bremsen zum Stillstand.
    »Psssst!« flüsterte Mike, worauf die sechs sich im Rohr auf die Bäuche legten, als wären sie so noch besser versteckt. Harlen wich von der Öffnung zurück.
    Über ihnen lief ein Motor im Leerlauf. Das Geräusch der Fahrerhaustür war zu hören, gleichzeitig drang ein schrecklicher Geruch herunter und legte sich über sie wie unsichtbares Giftgas.
    »O Scheiße«, flüsterte Harlen. »Der Abdeckereilaster.«
    »Sei still!« zischte Mike. Jim gehorchte.
    Über ihnen knirschten Stiefel im Kies. Dann Stille, als Van Syke, oder wer auch immer, unmittelbar über der Pfütze am Straßenrand stand.
    Dale nahm den Stock, den Lawrence fallen gelassen hatte, und hielt ihn wie eine dünne Keule. Mikes Gesicht war käsig weiß. Kevin sah die anderen an; sein Adamsapfel hüpfte. Duane faltete die Hände zwischen den Knien und wartete.
    Etwas Schweres fiel durch das Laub, klatschte in den Tümpel und spritzte Harlen naß.
    »Scheiße!« schrie Harlen und wollte noch mehr sagen, als Mike ihm eine Hand auf den Mund drückte.
    Neuerliches Knirschen von Kies, dann das Geräusch schnappender Zweige, als würde Van Syke den Hang herunterkommen.
    Ein zweiter Motor ertönte, als ein Wagen oder Kleintransporter vom Friedhof Calvary herunterkam. Dann das Quietschen von Bremsen und eine Hupe.
    »Er kann nicht vorbei«, flüsterte Kevin.
    Mike nickte. Das Knirschen im Unkraut verstummte, wich zurück. Eine Tür wurde zugeschlagen, dann fuhr der Abdeckereilaster mit knirschendem Getriebe bergauf Richtung Black Tree. Das Auto dahinter hupte wieder. Nach einer Minute herrschte wieder Stille, und der Geruch war fast verschwunden. Fast.
    Mike stand auf und ging zum Rand des Rohrs. »Ach du Scheiße«, flüsterte er. Mike fluchte so gut wie nie.
    Die anderen drängten sich am Rand des Rohrs.
    »Verdammt, was ist das?« flüsterte Kevin. Er hielt sich das T-Shirt vors Gesicht, da ein Gestank aus dem dunklen Wasser aufzusteigen schien.
    Dale sah über Kevins Schulter. Wellen und aufgewirbelter Schlamm beruhigten sich langsam wieder, das Wasser war noch nicht ganz klar, aber er konnte weiße Haut, einen aufgedunsenen Bauch, dünne Arme, Finger und tote braune Augen sehen, die aus dem Wasser starrten.
    »O Jesus Christus«, stöhnte Harlen. »Das ist ein Baby. Er hat ein totes Baby runtergeworfen.«
    Duane nahm Dales Stock, legte sich auf den Bauch, steckte den Arm ins Wasser, stocherte nach dem toten Ding und drehte es um. Haar auf den Armen des Leichnams bewegte sich, die Finger schienen zu winken. Duane brachte den Kopf fast bis zur Oberfläche.
    Die anderen jung wichen zurück. Lawrence ging zum anderen Ende der Höhle, wimmerte leise und war den Tränen nahe. »Kein Baby«, sagte Duan. »Jedenfalls kein Menschenbaby. Es ist eine Art Affe. Ein Rhesusaffe, glaube ich. Ein Makake.«
    Harlen streckte sich, damit er besser sehen konnte, kam aber nicht näher. »Wenn es ein elender Affe ist, wo ist dann sein Fell?«
    »Haar«, sagte Duane geistesabwesend. Er nahm einen anderen Stock und drehte das Ding um. Der Rücken brach durch die Wasseroberfläche, sie konnten deutlich den Schwanz sehen. Ebenfalls unbehaart. »Ich weiß nicht, was mit seinem Haar passiert ist. Vielleicht war er krank. Vielleicht hat ihn jemand abgekocht.«
    »Abgekocht«, wiederholte Mike und sah mit einem Ausdruck unverhohlenen Ekels in die Pfütze.
    Duane ließ das Ding los, sie sahen alle zu, wie es wieder auf den Grund sank. Die Finger bewegten sich, als würde es ihnen Zeichen geben oder zum Abschied winken.
    Harlen klopfte ein nervöses Stakkato auf der gekrümmten Betonwand über ihnen. »He, Mikey, willst du immer noch Van Syke übernehmen?«
    Mike drehte sich nicht um. »Ja.« »Gehen wir hier weg«, sagte Kevin.
    Sie drängten hinaus, zertrampelten Unkraut, so eilig hatten sie es, zu den Rädern zu kommen, und lungerten noch einen Moment lang herum, ehe sie bergauf strampelten. Hier hing der Geruch des Abdeckereilasters immer noch in der Luft.
    »Und wenn er zurückkommt?« flüsterte Harlen und sprach aus, was Dale dachte.
    »Werfen wir die Räder ins Dickicht«, sagte Mike. »Laufen durch den Wald. Zu Dales Onkel Henry und Tante Lena.
    »Und wenn er zurückkommt, wenn wir auf der Straße zur Stadt sind?« fragte Lawrence. Seine Stimme zitterte.
    »In die Maisfelder«, sagte Dale. Er berührte seinen kleinen Bruder an der Schulter. »He,

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