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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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Van Syke ist nicht hinter uns her. Er hat nur diesen toten Affen in den Bach geworfen.«
    »Verschwinden wir trotzdem«, sagte Kevin, worauf sie aufstiegen und sich auf die steile Fahrt bergauf vorbereiteten.
    »Moment mal«, sagte Dale. Duane McBride war gerade oben bei der Straße angekommen. Der dicke Junge war rot im Gesicht und japste; sein Asthma war deutlich zu hören. Dale drehte sein Rad um. »Alles klar?«
    Duane gestikulierte mit einer Hand. »Prima.«
    »Sollen wir dich zur Farm begleiten?«
    Duane grinste sie an. »Und dann bleibt ihr und haltet mir das Händchen, bis der Alte irgendwann nach Mitternacht heimkommt? Oder morgen?«
    Dale zögerte. Er dachte, daß Duane mit zu ihm nach Hause kommen sollte; daß sie alle zusammenbleiben sollten. Dann wurde ihm klar, wie albern der Gedanke war.
    »Ich melde mich bei euch, wenn ich was über Old Central rausgefunden habe«, sagte Duane. Er winkte, drehte sich um und stapfte den ersten der beiden steilen Hügel hinauf, die zwischen ihm und dem Heimweg lagen.
    Dale winkte und radelte mit den anderen die anstrengende Strecke ihren Hügel hinauf. Nach der Zufahrt zum Black Tree war die Straße so eben, wie es nur Straßen in Illinois sein konnten. Sie stiegen kräftig in die Pedale, und der Wasserturm war zu sehen, als sie von der County Six auf die Straße nach Jubilee College abbogen.
    Bis Elm Haven kamen keine Autos oder Laster mehr vorbei.


    Die Gratisvorstellung begann bei Dämmerung, aber die Leute trafen schon im Bandstand Park ein, als das Sonnenlicht noch auf der Main Street lag wie eine träge Katze, die sich nicht vom warmen Boden trennen mag. Farmerfamilien stellten ihre Pritschenwagen auf dem Schotterparkplatz entlang der Broad-Avenue-Seite des Parks ab, damit sie den besten Blick hatten, wenn der Film auf der Parkside Cafe projiziert wurde; dann machten sie Picknick im Gras oder saßen auf dem Pavillon und schwatzten mit Leuten aus der Stadt, die sie lange nicht mehr gesehen hatten. Die meisten hiesigen Einwohner trafen ein, als die Sonne schließlich untergegangen war und die Fledermäuse vor dem dunklen Schirm des Himmels zu flattern anfingen. Broad Avenue unter ihrem Bogen aus Ulmen schien ein dunkler Tunnel zu sein, der sich zur helleren, breiteren Main Street auftat und am strahlenden, vielversprechenden Park mit seinen Lichtern, dem Lärm und Gelächter aufhörte.
    Die Gratisvorstellung war eine Tradition, die zu den Anfangstagen des Zweiten Weltkriegs zurückreichte, als das nächste Kino - Ewalts Palace in Oak Hill - geschlossen hatte, weil Walt, E-walts einziger Sohn und Vorführer, sich zum Marine-Corps gemeldet hatte. Peoria war die nächste Möglichkeit, Filme zu sehen, aber aufgrund von Benzinrationierungen war der Ausflug von vierzig Meilen für die meisten Leute zuviel. Daher hatte der alte Mr. Ashley-Montague in jenem Sommer des Jahres 1942 jeden Samstagabend einen Projektor von Peoria geholt und die Wochenschauen und Werbung für Kriegsanleihen, die Zeichentrickfilme und Spielfilme dort im Bandstand Park gezeigt, wo die Bilder sechs Meter hoch auf eine gebleichte Segeltuchleinwand am Parkside Cafe geworfen wurden.
    Die Ashley-Montagues wohnten eigentlich nicht mehr in Elm Haven, seit ihre Villa abgebrannt war und der Großvater des derzeitigen Mr. Ashley-Montague 1919 Selbstmord begangen hatte, aber die männlichen Familienmitglieder kamen gelegentlich zu Besuch, spendeten für Vorhaben der Gemeinde und wachten ganz allein über die kleine Stadt, wie alte englische Landadelige über ein Dorf wachten, das auf ihrem Anwesen entstanden war. Achtzehn Monate nachdem der Sohn des letzten Ashley-Montague in Elm Ha-ven im Juni des Jahres 1942 die erste samstagabendliche Gratisvorstellung in die Stadt gebracht hatte, führte dessen Sohn die Tradition fort.
    Heute, am vierten Abend des Juni im Sommer 1960, fuhr der lange Lincoln von Mr. Ashley-Montague in die Parklücke, die immer westlich des Pavillons für ihn reserviert wurde, Mr. Taylor und Mr. Sperling und andere Mitglieder des Stadtrats halfen ihm, den gewaltigen Projektor auf sein Podest im Pavillon zu tragen, Familien setzten sich auf Decken und Parkbänke, abenteuerlustige Kinder wurden von den unteren Ästen der Bäume und aus dem Freiraum unter dem Pavillon verscheucht, Eltern auf den Pritschen ihrer Wagen rückten Klappstühle zurecht und gaben Schüsseln mit Popcorn herum, und dann senkte sich eine erwartungsvolle Stille über den Park, während der Himmel über den Ulmen

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