Sommer der Nacht
Fledermäuse, die den Weg vor sich sondierten, sondern das Kreischen leiser, schriller Stimmen. Rufe. Quietschen, Flüche. Obszönitäten. Die meisten Geräusche waren unmittelbar an der Grenze, Wort zu sein, die zum Wahnsinn treibenden hörbaren, aber nicht ganz verständlichen Silben einer brüllenden Unterhaltung im Nebenzimmer. Aber zwei Laute waren ganz deutlich.
Dale und Lawrence standen starr auf dem Gehweg, hielten ihre Popcomtüten umklammert und sahen in die Höhe, wo die Fledermäuse ihre Namen mit Konsonanten schrien, die sich anhörten, als würden Zähne über eine Schiefertafel kratzen. Weit, weit entfernt sagte die verstärkte Stimme von Schweinchen Dick: »D-d-d-as war's, Leute!«
»Lauf!« flüsterte Dale.
Jim Harlen hatte keine Anweisung, nicht zur Gratisvorstellung zu gehen; seine Mutter war ausgegangen - eine Verabredung in Peoria -, und sie sagte zwar, daß er alt genug sei, ohne Babysitter zu Hause zu bleiben, aber er durfte das Haus nicht verlassen. Harlen präparierte das Bett mit seiner Bauchrednerpuppe, die er, Gesicht zur Wand, hineinlegte, sowie einem ausgestopften Paar Jeans, um die Beine unter der Decke anzudeuten, falls sie vor ihm heimkam und nach ihm sah. Aber das würde sie nicht. Sie kam nie vor ein oder zwei Uhr morgens heim.
Harlen holte sich als Snack zum Film ein paar Butterkekse aus dem Schrank, holte das Fahrrad aus dem Schuppen und radelte die Depot Street entlang. Er hatte sich Rauchende Colts im Fernsehen angesehen, und darüber war es schneller dunkel geworden, als er gedacht hatte. Er wollte den Zeichentrickfilm nicht versäumen.
Die Straßen waren verlassen. Harlen wußte, daß alle, die alt genug zum Fahren waren, aber jung genug, nicht so dumm zu sein, herumzuhängen und sich Lawrence Welk oder die Gratisvorstellung anzusehen, schon vor Stunden nach Peoria oder Galesburg aufgebrochen waren. Er würde samstagabends ganz bestimmt nicht in Elm Haven herumhängen, wenn er älter war.
Jim Harlen hatte generell nicht vor, noch allzulange in Elm Haven herumzuhängen. Entweder würde seine Mutter einen dieser Lackaffen heiraten, mit denen sie ausging - wahrscheinlich einen Automechaniker, der sein ganzes Geld für Anzüge ausgab -, und Harlen würde nach Peoria oder sonstwohin ziehen und in einem oder zwei Jahren weglaufen. Harlen beneidete Tubby Cooke. Der dicke Junge war etwa so hell wie eine Fünfundzwanzigwattbirne gewesen, mit denen Harlens Mom die hintere Veranda erhellte, aber er hatte genug gewußt, daß er sich schleunigst aus Elm Haven absetzte. Natürlich wurde Harlen nicht so oft verprügelt wie Tubby wahrscheinlich - danach zu urteilen, wie betrunken sein Alter andauernd war und wie doof seine Ma aussah -, aber Harlen hatte auch seine Probleme.
Es stank ihm, daß seine Mutter ihren alten Namen wieder angenommen hatte, so daß er mit dem Namen seines Vaters gestrandet war, wo er seinen Dad nicht einmal in ihrem Beisein erwähnen durfte. Es stank ihm, daß sie jeden Freitag- und Samstagabend ausging - mit tief ausgeschnittenen Blusen und sexy schwarzen Kleidern, die komische Gefühle in Harlen weckten ... irgendwie als wäre seine Mom eine der Frauen in den Magazinen, die er hinter seinem Schrank versteckte. Es stank ihm, wenn sie rauchte und Kippen mit Lippenstiftringen im Aschenbecher ließ, so daß er sich denselben Lippenstift auf den Wangen von irgendwelchen Männern vorstellen konnte, die er nicht einmal kannte ... oder gar auf ihren Körpern. Es stank ihm, wenn sie zuviel getrunken hatte und versuchte, es zu verbergen, indem sie die vollkommene Dame spielte - aber Harlen merkte es immer an ihrer präzisen Aussprache, den langsamen, vorsichtigen Bewegungen und der Art, wie sie rührselig wurde und versuchte, ihn zu umarmen.
Er haßte seine Mutter. Wenn sie bloß nicht so eine ... Harlens Denken schlitterte um das Wort >Hure< herum ... wäre, wenn sie bloß eine bessere Ehefrau gewesen wäre, dann hätte Harlens Vater nichts mit der Sekretärin anfangen müssen, mit der er abgehauen war.
Harlen radelte die Broad Avenue entlang, stieg fest in die Pedale und wischte sich mit einer zornigen Bewegung des Ärmels die Augen ab. Etwas Weißes bewegte sich zwischen den großen alten Häusern auf der linken Straßenseite, und er sah auf, sah noch einmal hin und brachte sein Rad in einem großen Bogen, der Kies aufwirbelte, zum Stillstand.
Jemand bewegte sich in der Gasse zwischen breiten Gärten. Harlen sah noch einmal flüchtig eine kleine, untersetzte
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