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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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starrte ihn an.
    Er wollte gehen und setzte sich schnellen Schrittes in Bewegung, aber dann fiel ihm das Schloß ein. Er zögerte, sagte sich, daß er ein Idiot war, ging zurück und klopfte die Schrauben fest. Die dritte mußte er mit seinem Taschenmesser hineinschrauben, und dabei stellte Mike fest, daß seine Hand ein wenig zitterte. Wenn etwas aus diesem Loch herauskommt, wie kann es aus dem Schuppen? Vielleicht schlängelt es sich durch das Fenster.
    Hör auf, Dummkopf. Die Messerklinge glitt ab, er schnitt sich in den kleinen Finger. Mike achtete nicht darauf, drehte die Schraube die letzten fünf Millimeter hinein und achtete nicht auf die Blutstropfen, die auf den Holz-rahmen fielen.
    So. Es war nicht perfekt. Eine eingehende Untersuchung würde zeigen, daß der Schloßrahmen herausgezogen und wieder festgemacht worden war. Na und? Mike drehte sich um und ging den Weg entlang.
    Immer noch kein Verkehr auf der County Six. Mike lief den Hügel hinab und wünschte sich, die Schatten unten wären nicht so dunkel. Im dichten Wald auf beiden Seiten war es schon Nacht.
    Die Black Tree Tavern war dunkel und geschlossen -sonntags durfte kein Alkohol ausgeschenkt werden -, es war seltsam, das kleine Haus ohne parkende Autos zu sehen. Mike ging langsam, als er auf dem Hügel war und die Einfahrt des Black Tree passierte. Links erstreckte sich weiter der Wald, und irgendwo da drinnen lag die Gypsy Lane, aber rechts ging das Land in Maisfelder über, und da war es viel heller. Mike konnte die Kreuzung der Jubilee College Road ein paar hundert Meter weiter vorne erkennen, und wenn er dort war, würde er den Wasserturm von Elm Haven eine Dreiviertelmeile im Westen sehen können.
    Mike wurde noch langsamer und schalt sich innerlich einen Feigling, als er hinter sich den Kies knirschen hörte. Es war kein Auto, sondern das leise Stapfen von Schritten.
    Mike blieb nicht stehen, als er sich umdrehte und die Hände unwillkürlich zu Fäusten ballte.
    Noch ein Junge, dachte er, als er den Schatten sah, der sich aus der Dunkelheit unter den Bäumen auf der Straße oben auf dem Hügel schälte. Er kannte den Jungen nicht, sah aber den altmodischen Pfadfinderhut und die Uniform. Der Junge war etwa fünfzehn Meter hinter ihm.
    Dann stellte Mike fest, daß es kein Junge war. Es war ein Mann um die Zwanzig, und seine Kleidung war keine Pfadfinderuniform, sondern eine Art Uniform, wie Mike sie auf alten Fotos gesehen hatte. Das Gesicht des Burschen wirkte wächsern, glatt und im düsteren Licht seltsam konturlos.
    »He!« rief Mike und winkte. Er kannte den Soldaten nicht, war aber trotzdem erleichtert. Als Mike die Schritte hinter sich gehört hatte, hatte er sofort daran denken müssen, daß Van Syke ihn auf der Straße verfolgen könnte.
    Der junge Soldat winkte nicht zurück. Mike konnte seine Augen nicht sehen, aber er hatte irgendwie den Eindruck, als wäre der Mann blind. Er rannte nicht - er schritt nur rasch mit steifen Beinen aus, aber immerhin so schnell, daß der Soldat die Entfernung zwischen ihnen beiden schon ein wenig verringert hatte. Er war jetzt zehn Meter entfernt, und Mike konnte deutlich die Messingknöpfe an der braunen Uniform erkennen, sowie die seltsamen Khakilappen - wie Bandagen - um seine Füße. Die genagelten Stiefel erzeugten knirschende Laute auf dem Kies. Mike versuchte wieder, das Gesicht zu erkennen, aber die breite Hutkrempe warf trotz des Restlichts einen dunklen Schatten.
    Der junge Mann schritt so rasch aus, Mike bekam das eindeutige Gefühl, daß er ihn einholen wollte ... daß er sich bemühte, die Entfernung zu verringern.
    Drauf geschissen, dachte Mike und überlegte sich am Rande, daß er Pater C. noch ein schlimmes Wort beichten mußte.
    Mike drehte sich um und rannte so schnell er konnte die Jubi-lee College Road entlang in Richtung der fernen Baumwipfel, die Elm Haven waren.
    Dales kleiner Bruder Lawrence hatte Angst vor der Dunkelheit.
    Soweit Dale sagen konnte, hatte der Achtjährige sonst vor nichts Angst. Er kletterte an Stellen, zu denen sich sonst niemand trauen würde - außer vielleicht Jim Harlen. Lawrence war zäh und hatte einen stillen Mut, der dafür verantwortlich war, daß er mit gesenktem Kopf und rudernden Fäusten gegen Schläger stürmte, die doppelt so groß waren wie er, während er Prügel einsteckte, bei denen ein älterer Junge unter Tränen fliehen würde. Lawrence liebte Todesfahrer-Stunts - er sprang mit dem Fahrrad von der höchsten Rampe, die sie bauen konnten,

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