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Sommer der Nacht

Titel: Sommer der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Simmons
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gewesen. Auch keine Art wahnsinnige Warnung. Der Laster hatte auf sie gezielt, und nur die Gewißheit, daß das Fahrzeug sich überschlagen würde, wenn es mit dieser Geschwindigkeit in den flachen Graben fuhr, hatten den Fahrer daran gehindert, die letzten fünfzig Zentimeter herüberzuschwenken, damit er sie erwischte. Jemand wäre vorbeigekommen und hätte meine Leiche im Unkraut gefunden, dachte Duane. Und die von Witt. Sie hätten nie erfahren, wer es war. Ein leichtsinniger Junge und
    ein Fäll von Fahrerflucht. Duane dachte an den Stacheldraht und tastete über seinen Rücken. Blut war an seiner Hand. Schlimmer, er hatte zwei lange Risse im Hemd, die er wieder zunähen mußte.
    Duane tätschelte Witt weiter, aber jetzt zitterte der Junge schlimmer als der Hund. Mit der freien Hand griff Duane in die Tasche, fand einen Hundekuchen für das Tier und den Schokoriegel für sich.
    Der Abdeckereilaster kam um die Kurve beim Wasserturm gerast.
    Duane stand auf und starrte ihm entgegen; die Stücke des Riegels hatte er unzerkaut im Mund. Es war der Abdeckereilaster, er konnte deutlich das rote Fahrerhaus und die breite Stoßstange vor der Staubwolke erkennen. Er fuhr jetzt langsamer, aber immer noch mit mindestens dreißig Meilen pro Stunde. Schnell genug, diese drei Tonnen auf Reifen, um ihn und Witt sofort ins Jenseits zu befördern.
    »O Scheiße!« flüsterte Duane aus tiefstem Herzen. Witt winselte und wehrte sich gegen Duanes Hand am Halsband.
    Duane zerrte den Hund zur linken Straßenseite, als wollte er zu den Feldern der Südseite. Dort war der Straßengraben voll Unkraut, aber nicht tief, beinahe flach. Kein Hindernis für ein Fahrzeug.
    Der Abdeckereiwagen schwenkte nach rechts und füllte Duanes Straßenseite aus. Er hatte jetzt die halbe Strecke zurückgelegt, und Duane konnte den Umriß eines Fahrers in der Kabine sehen. Der Mann war groß, aber nach vorne gebeugt und aufs Fahren konzentriert... aufs Zielen!
    Duane packte Witt am Halsband und zog den panischen Collie über die Straße - dieser hatte die Vorderbeine steif gemacht, Kies rutschte unter seinen Pfoten weg - in den Graben.
    Der Abdeckereiwagen scherte nach links aus, kam von der Straße herunter, holperte über den Straßengraben, bis die linken Reifen fast am Zaun streiften. Unkraut wurde von der Stoßstange niedergemäht, die Staubwolke wirbelte hoch in die Luft.
    Duane sah über die Schulter und hoffte wider besseres Wissen, ein anderes Auto würde aus der Gegenrichtung kommen, ein Erwachsener würde eingreifen... er würde aufwachen.
    Der Laster war keine dreißig Meter mehr entfernt und schien Gas zu geben.
    Duane wurde klar, daß er nicht mehr rechtzeitig mit Witt über die Straße kommen würde, und selbst wenn, würde der Laster ihn erwischen, wenn er versuchte, dort über den Zaun zu klettern.
    Wittgenstein bellte und zuckte und schnappte in seiner Raserei nach Duanes Handgelenk. Einen Sekundenbruchteil überlegte sich Duane, den Collie loszulassen - ihn sich selbst zu überlassen -, aber dann wurde ihm klar, daß Witt keine Chance haben würde. Trotz des Adrenalinstoßes der Panik waren die Gelenke des alten Hundes zu steif, sein Augenlicht zu schlecht.
    Der Laster war zwanzig Meter entfernt und kam näher. Das linke Vorderrad erwischte einen morschen Zaunpfahl und riß ihn aus dem Boden. Der Drahtzaun summte wie eine gesprungene Harfe.
    Duane bückte sich, hob Witt hoch und warf ihn mit einer geschmeidigen Bewegung so weit über den Zaun, wie er konnte. Witt landete drei Maisreihen weiter, rutschte auf die Seite und bemühte sich, die Beine unter den Körper zu bekommen.
    Duane hatte keine Zeit mehr, ihn zu beobachten. Er packte einen dünnen Pfosten und zog sich hoch. Der gesamte Zaun wankte und hing durch. Stacheldraht schnitt in Duanes linke Hand. Sein Fuß war zu groß für das Quadrat aus Draht, in das er ihn gesteckt hatte, der Turnschuh saß fest.
    Der Abdeckereilaster füllte die Welt aus mit Dröhnen und Staub und einer herandonnernden Mauer aus schorfigem rotem Metall. Der Fahrer war nicht mehr zu erkennen, da die Windschutzscheibe blendend gleißte. Er war noch zehn Meter entfernt, hüpfte polternd auf und ab und mähte im Fahren Zaunpfosten um.
    Duane ließ den Turnschuh, wo er war, befreite den Fuß, stemmte sich hinüber - wobei er spürte, wie der Stacheldraht an seinem Bauch riß -, fiel schwer in den weichen Boden am Feldrain und rollte sich zu den Maisstauden, während er keuchend nach Luft rang.
    Der Laster

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