Sommer der Nacht
Winseln von Reifen und Differentialgetriebe eine andere Tonart annahm und in der Ferne Kies knirschte, als der Laster beschleunigte.
Hier führt kein Weg rein. Er kann mir den Weg auch nicht abschneiden. Ich kann bis zu unserer hinteren Wiese laufen, wenn ich im Wald bleibe und mich von der Straße und der Einfahrt fernhalte.
Duane kam zum Zaun, hob Witt behutsam darüber und verlor noch mehr Haut am Stacheldraht, als er selbst darüber kletterte; erst dann gönnte er sich einen Moment zum Ausruhen.
Er hockte neben seinem Hund, ließ die Hände auf den aufgeschürften Knien baumeln, keuchte laut und lauschte dem Dröhnen seines eigenen Pulses in den Ohren. Er hob den Kopf und sah zurück.
Der Wasserturm war deutlich sichtbar. Eine weitere Viertelmeile südlich konnte er die dunklen Bäume von Elm Haven erkennen. Die Straße war verlassen. Kein Laut war zu hören. Nur die langsam sinkende Staubwolke und der verwüstete Zaun auf der anderen Seite des Felds sagten Duane, daß er das alles nicht geträumt hatte.
Er hockte neben Witt und tätschelte dessen Flanken. Der Collie regte sich nicht. Seine Augen waren glasig, Duane legte den Kopf auf Witts Rippen und hielt selbst den Atem an, damit sein rasselndes Keuchen das Geräusch nicht übertönen konnte.
Kein Herzschlag. Witts Herz hatte wahrscheinlich schon aufgehört zu schlagen, bevor sie den ersten Zaun überquert hatten. Nur der Wunsch des alten Collie, bei seinem Herrn zu bleiben, war der Grund gewesen, daß er so lange weitergekämpft und geatmet hatte.
Duane strich seinem alten Freund über den schmalen Kopf, tätschelte das dünne Fell dort und versuchte, Witts Augen zuzumachen. Die Lider senkten sich nicht.
Duane kniete. Er verspürte einen tiefen Schmerz in Brust und Hals, der nichts mit Schnitten und Schürfwunden zu tun hatte. Der Schmerz wurde zu einer schrecklichen Schwellung, fast einer Explosion von Gefühlen, aber er konnte sie nicht hinunterschlucken oder als Tränen herauslassen. Sie drohte, ihn zu ersticken, während er nach Luft rang und das Gesicht zum jetzt blauen Himmel hob.
Wie er da kniete und mit blutenden Händen auf den Boden hämmerte, schwor Duane Witt und dem Gott, an den er nicht glaubte, daß dafür jemand bezahlen würde.
Mike O'Rourke und Kevin Grumbacher waren die einzigen, die zum Treffen der Fahrradpatrouille erschienen, das Mike einberufen hatte. Kevin war nervös, ging im Hühnerhaus hin und her und spielte mit einem Gummiband, aber Mike zuckte nur die Achseln. Ihm war klar, daß Dale und die anderen Besseres zu tun hatten, als an einem Sommervormittag zu albernen Treffen zu kommen.
»Wir lassen es, Kev«, sagte er auf dem Sprungfedersofa ausgestreckt. »Ich rede mit den Jungs, wenn wir wieder einmal zusammen sind.«
Kevin hielt in seinem Aufundabgehen inne, wollte etwas sagen, schwieg aber dann doch, weil Dale und Lawrence zu der kleinen Tür hereinplatzten.
Es war eindeutig, daß etwas Dale aufgeregt hatte: Seine Augen blickten wild, das kurze Haar war unordentlich. Lawrence war ebenfalls zappelig.
»Was ist?« fragte Mike.
Dale hielt den Türrahmen umklammert und rang nach Luft. »Duane hat eben angerufen... Van Syke hat versucht, ihn umzubringen.«
Mike und Kevin sahen ihn an.
»Es stimmt«, keuchte Dale. »Er hat mich angerufen, als die Bullizei gerade eingetroffen ist. Er mußte in Carl's Ta-vern anrufen, damit sein Dad nach Hause kam, und dann hat Barney angerufen, und er hat gedacht, Van Syke würde vielleicht kommen, während er zu Hause wartete, aber er ist nicht gekommen, und sein Dad kam heim, hat ihm aber nicht richtig geglaubt, aber sein Hund ist tot... Van Syke hat ihn eigentlich nicht getötet, aber irgendwie doch, weil...«
»Langsam«, sagte Mike.
Dale verstummte.
Mike stand auf. »Fang ganz von vorne an. Wie du Geschichten erzählst, wenn wir zelten fahren. Von Anfang an. Geht es Duane gut, und wie hat Van Syke versucht, ihn zu töten?«
Dale warf sich auf das Sofa, das Mike gerade geräumt hatte. Lawrence fand ein Kissen auf dem Boden. Kevin stand, wo er stehengeblieben war, und war völlig reglos, abgesehen von seinen Händen, die unbewußt komplizierte Muster mit dem Gummiband formten.
»Okay«, sagte Dale und ließ sich noch ein paar Sekunden Zeit. »Duane hat gerade angerufen. Vor einer halben Stunde hat Van Syke - er glaubt, es war Van Syke, aber er hat ihn nicht richtig gesehen -, hat jemand in Van Sykes Abdeckereilastwagen versucht, ihn auf der Jubilee College Road zu überfahren.
Weitere Kostenlose Bücher