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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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diese grässliche Wohnung gefunden hast. Und der Vater hat es nicht gewusst, die ganze Zeit, die er noch in der Türkei war und auch danach.
    Es ist möglich, sagt die Mutter, dass er das nicht sofort erfahren hat. Es ist möglich, sie streicht eine Strähne hinter das Ohr, dass er es nicht gewusst hat, eine Zeit lang.

    Die Tür zum Depot stand offen, ich ging in den Raum, wo die Göttin in ihrem Bad lag, gewaschen, gesalbt, gespeist. Ein grünliches Licht brannte bei der Tür, aber wo die Göttin lag, war es dunkel. Du musst die Augen senken, wenn du die Göttin siehst, hatte der Vater gesagt vor langer Zeit, weil sonst Blindheit über dich kommt und Wahnsinn.
    Es roch säuerlich und scharf, Polyethylenglycol. Die Göttin lag in ihrem Bad, ein Stück Holz, dachte ich. Etwas verwirrte sich mir, dass alles seinen Preis hatte, dachte ich. Ich sah die Göttin an, das Stück Holz, sie lag da, nackt und bloß, ich senkte die Augen nicht. Das Feuerzeug des Vaters lag kühl in meiner Hand. Sie gibt und sie nimmt, hatte der Vater gesagt, ein Rauschen wie von Pfeilen war in der Nacht, in meinem Schädel schwärmten Hornissen. Sie gibt und sie nimmt, galt denn das auch für die Göttin?
    Ich schnappte den Deckel des Feuerzeugs zurück. Mein Daumen fuhr über das Rad, der Feuerstein warf Funken, eine Flamme sprang auf. Ruhig in ihrem Bad, Polyethylenglycol, wartete die Göttin. Die Flamme brannte in meiner Hand.
    Dann lief ich die Straße hinunter, an deren Ende niemand mehr auf mich wartete. Ich lief die Straße entlang, die nach einem Wiener Bauunternehmer benannt ist, der Mond stand silbern oder blutigrot am Himmel und weiß schimmerte die Säule in der Nacht. Die unverzeihliche Tat.
    Ich hetzte durch die Nacht zurück, die Straße entlang, die Straße hinauf. Als ich im Grabungshaus ankam, war alles, wie es gewesen war. Im Büro war Licht, das Depot lag still und dunkel, im Hof saßen die Leute und schwatzten. Ich atmete auf. Es war alles gut, die Göttin hatte gewählt, ich sollte ohne Schuld sein. Mir war fast leicht, als hätte ich etwas begriffen.
    Ein Knall, ein Schrei, als heulte ein Tier. Der Vater war aus dem Büro gestürzt, Ilse, schrie er. Der Vater war in das Depot gerannt, vom Hof her waren die anderen gekommen, aus den Zimmern, aus dem Fernsehraum, aus der Küche, von überall her kamen die anderen, eine große Menge strömte vor dem Depot zusammen. Hans drängte sich durch die Menge, aber bevor er beim Depot war, erschien der Vater in der Tür, der Vater und Ilse. Ilse wimmerte und stieß kleine Schreie aus, kleine hohe Schreie. Ihr Gesicht war wie geschmolzen, als hätte ihr jemand Löcher in die Stirn, in ihre Wangen gebrannt, Splitter im geschmolzenen Fleisch. Schau nicht hin, sagte Jan neben mir, aber ich musste.
    Ruft die Rettung!, brüllte der Vater. Eine Sirene heulte, oder hatte sie die ganze Zeit geheult, Bertram und Maria, die Restauratoren, rannten ins Depot, seid ihr wahnsinnig, schrie Hans, wenn da noch mehr in die Luft geht. Sie muss unter kaltes Wasser!, rief Ingrid, der Vater zog Ilse in eines der Zimmer, sie hatte aufgehört zu schreien, wir hörten ihr Wimmern durch die offene Tür. Dann war ein Krankenwagen da, die Feuerwehr, die Polizei, sie haben Ilse auf einer Bahre herausgetragen, die Augen in ihrem schrecklich zerstörten Gesicht waren groß.
    Hans, der den Restauratoren ins Depot gefolgt war, kam den Feuerwehrleuten entgegen, er schüttelte den Kopf, gestikulierte. Gott sei Dank, sagte Bertram zu einem neben mir, Gott sei Dank ist nicht mehr passiert. Nicht noch mehr, fügte er schnell hinzu. Schlimm genug, sagte er und sah zu Boden. Es hätte das ganze Depot abbrennen können, das Grabungshaus, wir alle. Was ist denn passiert?, fragte einer.
    Dass es nur in der Restaurierwerkstätte gebrannt hatte, sagte Bertram. Ein Irrsinn natürlich, ausgerechnet in der Restaurierwerkstätte, reiner Zufall, dass das Feuer sich nicht ausgebreitet hat, sagte er, der Raum ist voll mit brennbaren Flüssigkeiten. Ilse hatte Pech, sagte Bertram, sie hatte einfach Pech. Vielleicht hat sie das Feuer gesehen, vielleicht wollte sie es löschen, dann ist eine Flasche explodiert, ihr ins Gesicht.
    Diese Wahnsinnigen, sagte einer, wer soll es sonst gewesen sein? Diese Wahnsinnigen, die etwas dagegen haben, dass wir hier graben, einer von diesen fanatischen Österreichhassern. Pass auf, was du sagst, fuhr Hans dazwischen. Es reicht, dass wir ein Feuer hatten. Das müssen wir erst einmal erklären, das bricht

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