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Sommer in Ephesos

Sommer in Ephesos

Titel: Sommer in Ephesos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: E Schmidauer
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noch bin ich in die weiße Stadt gefahren, ein letztes Mal.
    Um fünf Uhr bin ich aus der Stadt zurückgekommen. Der Vater war im Hof, geh auf mein Zimmer, hat er gesagt, warte dort. Ich saß an seinem Schreibtisch, eine dünne Mappe lag da, ich sah nicht hinein. Fotos vom Theater, Pläne, ein Brief, ich wartete. Irgendetwas tickte wo, und draußen schwirrte ein Vogelschwarm auf. Ilses Röcke lagen auf dem Bett. Meine Hände zitterten, ich tastete nach etwas, das ich halten konnte, das Feuerzeug des Vaters lag kühl in meiner Hand. So saß ich, die Sessellehne drückte in meinen Rücken, goldenes Licht fiel in Streifen auf den Boden. Wie das Holz gemasert war und wie das Licht über den Boden wanderte, das zu wissen, schien mir so wichtig. Dann ging die Tür auf, Hubert stockte, als er mich sah. Ana, sagte er, aber hinter ihm war schon der Vater.
    Der Vater schloss die Tür, er schloss das Fenster, ich war aufgestanden, wir standen jetzt alle drei. Du weißt, sagte der Vater zu Hubert, du bist erledigt, egal wie Hans entscheidet. Ich kann dich vernichten, du weißt, dass ich das kann, und du weißt, dass ich das tun werde.
    Hubert rührte sich nicht, was gab es auch zu sagen.
    Meine Tochter hat mich gebeten, fuhr der Vater fort, ich möge dich schonen. Und weil ich meine Tochter liebe, sagte er, will ich die Entscheidung dir überlassen.
    Die Stimme des Vaters war jetzt scharf. Entweder, sagte er, wir gehen, wenn wir hier fertig sind, zu Hans. Ich konfrontiere ihn mit den Fakten, ich habe nichts mit den Raubgrabungen zu tun, stieß Hubert hervor, ich konfrontiere ihn mit den Fakten, fuhr der Vater unbeirrt fort, ich informiere die Fachwelt im In- und Ausland, das ist dann, das weißt du, das Ende deiner archäologischen Arbeit. Weil ich meine Tochter liebe und weil sie es sich nicht nehmen lassen wird, bei dir zu bleiben, werde ich mich dafür einsetzen, dass du in einem der Wissenschaftsverlage, zu denen ich Kontakte habe, ein Unterkommen als Lektor findest. Dann kannst du, mit ein wenig Glück, die Fachpublikationen deiner ehemaligen Kollegen lektorieren. Für Fachwissen sind wir immer dankbar, sagte der Vater spöttisch. Und du kannst meiner Tochter wenigstens ein Auskommen bieten.
    Oder?, fragte Hubert.
    Oder du bleibst. Am Institut. In Ephesos. Im Projekt. Du bringst die Grabung zu Ende, du betreust die Auswertung, du übernimmst, sobald sie restauriert ist, die Göttin, du führst das Projekt im nächsten Jahr weiter. Hans hält große Stücke auf dich, das sollte genügen, um deine Karriere endlich in Schwung zu bringen.
    Was ist der Haken?, fragte Hubert.
    Du siehst meine Tochter nie wieder.
    Nach einer langen Zeit, in der sich keiner von uns dreien rührte, senkte Hubert den Kopf.
    Warum hast du das getan?, habe ich den Vater gefragt. Wir waren alleine, Hubert war gegangen.
    Audiatur et altera pars, man muss doch auch die andere Partei hören.
    Du hast gewusst, wie er sich entscheiden wird. Wie konnte er sich anders entscheiden.
    Ein Unwürdiger, hat der Vater gesagt.
    Du hast ihn dazu gemacht.
    Ich bin dann, weil ich irgendwo sein musste, im Grabungshaus geblieben. Dein Flug geht morgen, hatte der Vater gesagt, er hatte meinen Rückflug schon gebucht. Ich setzte mich, weil ich irgendwo sein musste an diesem Abend, auf die Veranda, wo andere saßen und redeten. Ich sah, mit wem Hubert saß, er hielt sich sehr gerade.
    Du brauchst einen Grund, warum du das Projekt abgibst, das war Huberts Antwort gewesen. Ich fühle mich in letzter Zeit nicht so wohl, hatte der Vater gesagt, Hubert hatte genickt. Ich hatte es doch gewollt, dass er sich sein Leben rettete.
    Später saß Hubert bei seinen Leuten unter der Tamariske. Da wusste ich, dass ich jetzt gehen musste und dass es das letzte Mal gewesen sein würde, dass ich ihn sah. Ich bin über den Hof gegangen, beim Büro vorbei, die Tür zum Depot stand offen.

    Zuerst, sagt die Mutter, sie redet zu laut, zuerst wächst so etwas in dir, nistet sich ein und frisst dich auf, von innen, macht dich fett und plump und unförmig. Als wäre ich in Geiselhaft gewesen, es gab ja kein Entrinnen. Man ist ja nicht mehr Mensch, sagt die Mutter, als wäre ich nicht mehr Mensch gewesen.
    Die Zehrung ist zu einer sehr lauten Veranstaltung geworden, Archäologenkongress, denke ich. Die Studentin von vorhin hat mir ehrfurchtsvoll zugeflüstert, es sind ja die ganz Großen da, der Doktor Auzinger, der Doktor Bäumler, die Frau Doktor Kohlhammer, und aus Berlin, aus London, dass ich die

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