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Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
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die Rosen abschneiden und ins
Wasser stellen. In diesen Minuten setzte sich Percy ans Klavier und spielte
ganz leise den hinreißenden Walzer von Lanner und sang dazu: «Habe so lange
mein’ Schatz nicht gesehn, Schatz nicht gesehn, Schatz nicht gesehn.»
    Als ich nach Nizza kam, war Percy schon
da. Und nun fehlen mir wirklich die Worte, um Dir zu sagen, wie bezaubernd er
war und was er mir alles sagte. Liebe Bertha, Du weißt doch noch, wo Nizza ist?
Du warst ja so lange nicht hier! Es sind die drei Bänke auf halber Höhe des
Hügels, die in einem Halbkreis stehen, davor die Platane und der himmlische
Blick auf die Lesum. Großmama sagte immer, hier wäre man vor Wind und Menschen
geschützt, und deshalb nannte sie den Platz Nizza.
    Dieser Tag sollte nun so viel rasend
Komisches bringen, daß ich wirklich an unsere Schulzeit erinnert wurde, wo wir
uns immer vor Lachen ausschütteten. Bei Tisch sagt Onkel Herbert: «Sag mal,
Marga, hast du eigentlich deinen Eltern geschrieben, daß Fräulein Kaiser weg
ist?» Ich: «Nein, das wollten wir doch erst später tun.» Onkel H.: «Ja, es ist
mir aber doch etwas ungemütlich, wenn sie es nachher vielleicht von anderen
erfahren, aber ich will dich doch so schrecklich gern hierbehalten, und was
sollte dir hier unter meiner Hut wohl passieren?» Ich starrte auf meinen Teller
und betete, daß Max nicht lachen sollte. Er lachte aber trotzdem, und zwar ganz
furchtbar. Max sagte dann: «Entschuldigt bitte, daß ich lache, ich finde es nur
so albern, daß Marga sonst immer so bewacht wird.» Der ahnungslose Onkel H.
glaubte es wieder und sagte: «Ja, hier kann sie sich jedenfalls frei bewegen.»
    Als letztes kam nun noch beim Kaffee
auf der Veranda die Sache mit Johann zur Sprache. Onkel Herbert wollte ihm
wirklich kündigen. Ich war ganz außer mir und sagte: «Er ist nun schon fast
dreizehn Jahre bei dir, und wenn er wirklich zweimal im Jahre Delirium hat, so
ist das doch nicht so schlimm.» So ging es eine Zeitlang hin und her, und schließlich
sagte Onkel H.: «Marga, man sollte fast meinen, daß Johann dir mal einen großen
Gefallen getan hat, weil du ihn jedesmal so intensiv verteidigst.» Da stand
Percy auf und ging in den Garten. Max wußte ja Gottseidank von dieser Angelegenheit nichts.
    Nun kann ich kaum noch schreiben, aber
ich muß Dir noch von der Überraschung erzählen. Vor dem Abendessen um ½8 rief
uns Percy ins Wohnzimmer. Er setzte sich ans Klavier und sagte: «Dies ist ein
Lied von Schubert, die Worte sind von Shakespeare, und es heißt ‹An Sylvia›.»
    Ja — liebe Bertha — er sang das
schönste Lied, das ich je gehört habe, und er begleitete sich selbst mit solch
hinreißendem Schwung. Ich verstand die Worte nicht gleich, aber ich verstand: «-
ist sie schön und gut dazu — ihrem Aug’ eilt Amor zu und verweilt in süßer Ruh —
und verweilt in süßer Ruh.» Es waren aber drei Verse. Als er fertig war, sagte
Onkel H. geradezu ergriffen: «Mein Gott, Percy, das hast du ja ganz göttlich
gesungen, und es ist ja ganz wunderbar, daß du dich auch so begleiten kannst.
Du mußt es aber jetzt noch ein zweites Mal singen.» Max war auch ganz
begeistert, und ich schwieg. Was sollte ich nun vor den anderen sagen? Da sagte
Onkel Herbert: «Marga, ich finde es nicht nett von dir, daß du ihm kein
freundliches Wort sagst, wo er dich doch so gern hat — warum sagst du ihm denn
nichts?» Ich wurde einer Antwort überhoben. Percy hatte mein Schweigen nur zu
gut verstanden, er warf mir einen bezaubernden Blick zu und setzte sofort mit
der Begleitung ein, und dieses zweite Mal sang er das Lied nicht an Sylvia,
sondern an Daisy. Die ersten Worte heißen: «Was ist Sylvia, saget an», so sang
er: «Was ist Daisy, saget an.» Als er fertig war, ging ich zu ihm hin, gab ihm
die Hand und wollte etwas sagen, aber es kam nur heraus: «Percy» — er sah, daß
eine Träne mir übers Gesicht lief, und er sagte: «Daisy» — es waren nur die
zwei Namen gesagt, aber sie lagen irgendwie schwer und zärtlich im Raum, und
ich glaube, in dieser Minute hat Onkel Herbert was gemerkt.
    Nun kann ich nichts mehr als Dich
umarmen, meine liebe einzige Bertha!
    Deine glückliche Matti
     
     
    Lesmona, Montag, Juni 94
    Liebste einzige Bertha!
    Am letzten Montag schrieb ich Dir einen
endlosen Brief, das sind acht Tage her, Percy und ich schrieben beide den
halben Vormittag. Da nahm er mich so um 12 nach Nizza und sagte, wir müßten
jetzt einmal ernst zusammen sprechen. Ja — wir hatten

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