Sommer in Lesmona
Dresden liebe ich seit langen
Jahren, die ich wochenlang bei den Großeltern Struve hier wohnte, und es ist
ein heimatliches Gefühl, daß ich gerade hierher komme.
Und nun auf Wiedersehen am nächsten
Dienstag bei Euch in Hannover. Darauf freut sich ganz furchtbar
Deine Matti
Bremen, den 28. Oktober 95
Nach der Nachtmusik
Meine liebe Einzige!
Nun ist auch die Nachtmusik vorüber,
und es war schade, daß Ihr nicht kommen konntet. Da Du aber doch nicht getanzt
hättest, würde es vielleicht langweilig für Dich gewesen sein. Am Tag vorher
brachte Max Georgi die Liste: es sind 80 Personen — er kam nachmittags nach
Tisch zu mir herauf. Ich sagte, wenn er noch einen Funken von Bruderliebe für
mich hätte, sollte er am Abend der Nachtmusik oft bei mir sein. Ich fühlte es
so, als wäre er ein Stück von Percy, und da er alles wüßte, wäre er doch mein
Verbündeter. Dann fragte ich ihn, wie er Percy gefunden hätte, als er in London
war. «Ach», sagte er, «das ist ziemlich schlimm, er ist ganz kaputt!» Er
erzählte dann Einzelheiten, die mich ganz umwarfen, und meine Beherrschung war
bald am Ende. Max fragte, ob ich ihn denn immer noch liebte. Diese Frage habt
Ihr in Eurem Takt nie mehr an mich gestellt. Jetzt brach es aber bei mir los,
und ich sagte, daß ich Tag und Nacht an ihn dächte. Max sagte dann, ich müßte
den Mut und die Haltung aufbringen, mein Schicksal auf mich zu nehmen. Das will
ich auch und habe bereits danach gelebt!! — Am Abend der Nachtmusik hatte ich
zwei Visionen. Als die Gäste in den Pausen wieder auf der Treppe saßen, die
nach oben führt, sah ich Dich und mich plötzlich im Geiste auf
der obersten Stufe sitzen — wie im März 93 — bei unserem großen Ball. Wir
hatten keinen Herrn bei uns und dachten damals an Deinen B. und an meinen
Martin, die in See waren. Da sagtest Du: «Wir sind die Marine-Bräute, deshalb
haben wir keinen Zug zum Zivil», und darauf erwiderte ich etwas sehr Komisches
und sehr Ungezogenes, worüber wir uns vor Lachen ausschütteten. Weißt Du es
noch?? Ach — was war es für eine himmlische Sorglosigkeit!! — Die zweite Vision
war: Percy am 24. Januar hier auf dem Vorplatz vor der Treppe, als er mich
fragte, wann er mich sehen könnte!!!
Der Abend war im übrigen furchtbar
vergnügt, und alle amüsierten sich glänzend. Ich tanzte natürlich den ganzen
Abend, und immer, wenn Max Georgi kam, sagte ich: «Ich denke jetzt mit Dir an
Percy.» Die große Rede hielt Rudis Jugendfreund, Dr. Ludolf Brauer, der gerade
in Bremen war — er sprach sehr witzig. Bei der Damenwahl holte ich Onkel
Herbert. Ich fühle es immer so, daß ich ihm viel zu verdanken habe. Erst die Wochen
in Lesmona, die doch das Schönste in meinem Leben bleiben werden, und dann
seine Diskretion. Er hat doch den Eltern nichts gesagt. Außerdem aber
tanzt er ganz wunderbar!! Er freute sich furchtbar, als ich ihn holte, und noch
mehr, als die Herren den Saal absperrten und uns unter Riesenapplaus allein
tanzen ließen! — Das Buffet war in dem großen Durchgangsraum im Korridor
aufgestellt, dahinter ein Vorhang gezogen. Koch Müller hatte ein wahres Wunder
von Herrlichkeiten geliefert, und der Sekt strömte.
Nun ist auch dieser Abend schon vorbei. Ich laufe jetzt in die Kunstgeschichtsstunde, wo Du im letzten Jahr noch
mit mir hingingst!
Nun leb wohl und sei innigst geküßt
von Deiner Matti
Bremen, den 5. November 95
Liebe Liebste!
Gestern, an meinem Geburtstag, morgens
um 9 Uhr, kam die von Oberstleutnant v. W. angesagte und von den Offizieren der
75er gesandte Militärmusik mit Glückwünschen zu meiner Verlobung und zu meinem
Geburtstag. Ich lege Dir das Programm bei. Es war sehr schön und feierlich. Sie
standen auf der Contrescarpe direkt vor unserem Hause.
Und nun danke ich Euch wieder für alles
Schöne! Die Handtasche ist ja viel zu schön für mich!! Das M. R. darauf hat
mich etwas erschreckt, aber Du wolltest gewiß, daß ich mich daran gewöhnen
sollte. Und dann das lederne Reisekissen und die Rosenseife!! Ihr Engel, ich
küsse Euch für alles. Im übrigen verlief der Tag wie früher mit den vielen
Besuchen etc. Am Nachmittag waren Anna und Elschen bei mir, und abends ging ich
mit Onkel Herbert ins Theater. Was soll ich sonst sagen? Weshalb soll ich Dich
traurig machen??— — —
In großer Liebe
Deine Matti
Ständchen
am 4. November 1895 von der Regimentsmusik des 1. Hanseatischen
Infanterie-Regiments Nr. 75
Programm
1.
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