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Sommer in Lesmona

Sommer in Lesmona

Titel: Sommer in Lesmona Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalene Marga; Pauli Berck
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und lieber guter John!
    Natürlich bin ich erschüttert von Johns
Vorschlag, nach Dresden zu fahren, kann aber nicht darüber schreiben. So
telegrafiert mir, ob ich am 1., 2. oder 3. Dezember zu Euch kommen soll. Da ich
jetzt nicht gern allein fahre, nehme ich Linsche mit, die ihre Verwandte,
Fräulein von Qualen, dort besuchen kann. Wir nehmen den 8-Uhr-Zug früh und
fahren nachmittags um 4 herum zurück, treffen uns im Wartesaal. Alles sehr
einfach und gut geregelt.
    In großer Liebe
    Eure dankbare
    Matti
     
     
     
     
    Hier fehlen einige Briefe
     
     
    Bremen, 2. Weihnachtstag 95
    Liebe Einzige!
    Euer Weihnachtspaket fand ich vor, als
ich am 24. von Rudis Vater abends nach Hause kam. Wieder habt Ihr mich so
schrecklich verwöhnt, und ich danke Euch mit tausend Küssen. Meine Gedanken
waren so viel bei Euch; übers Jahr liegt nun schon ein Kind bei Euch in der
Wiege. Ja — übers Jahr: Ihr in Hannover und ich in Dresden- -
    Percy sang ein Lied: «Übers Jahr, mein
Schatz, übers Jahr wenn die Rosen wieder blühen»— — —
    Es wäre besser gewesen, Max Georgi
hätte mir nichts von seiner Verzweiflung erzählt — seitdem ist es bei
mir wieder schlimmer.
    Bei Rudis Vater war der Weihnachtsabend
sehr schön, und der rasend witzige Kapitänleutnant v. P. machte die Stimmung.
Rudi schenkte mir einen sehr schönen Straußenfederfächer. Nun rückt der Gedanke
an meine Hochzeit näher. Anna Quentell gibt mein Kranzbinden. Ich sitze viel
oben bei Linsche, und da bin ich am glücklichsten.
    Du mußt aber Dein Baby rechtzeitig in
die Welt setzen, damit Ihr zu meiner Hochzeit am 21. März kommen könnt. Ohne
Euch wäre dieser Tag für mich ganz undenkbar.
    Nochmals innigen Dank! Ich gehe jetzt
zu Deinen Eltern und werde dort an frühere Weihnachtstage mit Sehnsucht
zurückdenken. — Aber an diesem Weihnachtsabend mit Rudi fühlte ich wiederum so
stark, daß ich ihn lieben könnte, wenn er das Gefühl aufblühen lassen würde.
    In Liebe
    Deine Matti
     
     
    Bremen, den 10. Januar 96
    Liebe liebste Bertha!
    Denke Dir, jetzt ist was ganz
Merkwürdiges passiert. Rudi schrieb, ich solle vorläufig meine Briefe
nicht mehr in seine Wohnung Semperstraße adressieren, sondern nach Liebigstraße
16 — in unsere neue Etage. Unsere Etage ist ganz neu und noch nicht
bewohnt, und der Hauswirt hat sie uns für die Handwerker freigegeben. Rudi
schrieb, er ginge täglich hin, um die Maler zu kontrollieren, die in seinem
Arbeitszimmer die Wände blau anmalen und die Türen rot. Dann könnte er meine
Briefe von da aus immer mitnehmen. Ich verstand das nicht, weil er doch
jedenfalls abends immer in seine Wohnung muß. Aber ich tat, wie mir befohlen,
und schrieb meine kleinen glanzlosen Briefe in die Liebigstraße. Darauf
plötzlich ein furchtbar aufgeregter Brief von Rudi! Ich hätte seit sechs Tagen
nicht geschrieben, und ob ich plötzlich — so nahe vor der Hochzeit — noch
zurück wolle? — Er hätte schon immer damit gerechnet, aber dieser Termin wäre
ja undenkbar. Ich kann es Dir nicht alles schreiben! — aber meiner Ansicht nach
hätte er ja — wenn er wirklich an eine Entlobung glaubte — doch einen Schmerz
empfinden müssen. Nein, nichts davon, nur Empörung! Ich zeigte Papa den Brief,
der sofort Rudis Partei nahm und sagte, es sei ja natürlich irgendein Irrtum
mit den Briefen, der sich noch aufklären würde! Darauf kam heute ein Brief von
Rudi, der etwas kleinlaut klingt!: er wäre eine Woche nicht in der Liebigstraße
gewesen, und er hätte vergessen gehabt, daß ich dahin hätte schreiben
sollen. Er hätte nun meine Briefe erhalten, alles wäre in Ordnung, und jetzt
sollte ich wieder nach der Semperstraße in seine Wohnung adressieren. Ich
fragte mich, ob er inzwischen verreist war? —
    Percy würde es nie vergessen, wo
meine Briefe für ihn liegen!— — —
    Ich war so tief bedrückt und ging in
der Dämmerung zum Haus von Rudis Vater, den ich selten besuche, weil er so viel
Kälte ausströmt. Ich stellte mich vis-à-vis auf die Straße vor das Haus und
hatte mir ausgedacht, daß es ein gutes Zeichen für mich sein sollte, wenn ich
im Haus ein Licht sähe, oder wenn gerade ein Licht angezündet würde. Das sollte
bedeuten, daß ich noch in Rudis Herzen die Liebe entzünden könnte. Aber, denke
Dir, da stand das Haus eisig und steinern und ganz ohne Licht! Ich hatte das
Gefühl, daß die steinernen Mauern in den Himmel wüchsen. Und mir fiel plötzlich
ein Ausdruck aus einer Synagoge ein: «die Mauer der

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