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Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Sommer in Maine: Roman (German Edition)

Titel: Sommer in Maine: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. Courtney Sullivan
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beschlossen haben, dass sie Maine nicht ausstehen kann.«
    Viel später – die Zeit schien schneller zu vergehen, je älter sie wurde – kamen die Enkel. Daniel ging in Rente. Die Kinder kamen nach Maine, wann sie wollten und keiner machte sich die Mühe, vorher Bescheid zu sagen. Sie brachten einfach eine Extraladung Hotdogs und Heineken mit, dazu Kekse oder Heidelbeerkuchen von Rubys Gemischtwaren. Daniel und Alice waren die einzige Konstante. Ständig drängten mehr Familienmitglieder ins Haus und schliefen, wo gerade Platz war: Auf dem Holzboden im Wohnzimmer lagen zugedeckt die Kleinen, die jungen Leute machten es sich auf Luftmatratzen auf dem Dachboden gemütlich, und der Laufstall ihres Enkels Ryan wurde in die enge Küche gezwängt.
    Frühmorgens, wenn noch alles schlief, kochte Alice eine Kanne Kaffee, schob Brötchen in den Backofen, briet ein Dutzend Eier mit Schinken und stellte für die sandigen Kinderfüße einen Wassereimer vor den Eingang. Später half sie vielleicht noch Kathleen oder Ann Marie, die Kinder mit Sonnencreme einzureiben. Aus Erfahrung wussten sie, dass für irische Haut etwas anderes als Lichtschutzfaktor fünfzig nicht in Frage kam. Und selbst dann gab es üble Sonnenbrände mit krebsroter Haut und schmerzhaften Brandblasen, die den Rest des Tages mit verschiedenen Cremes behandelt werden mussten. Die Enkel kamen, wie schon die Kinder, nach Daniel: Eine halbe Stunde in der Sonne reichte, und die kleinen, rosigen Gesichter waren von Sommersprossen übersät.
    Ein paar Jahre vor Daniels Tod hatte ihr Sohn Patrick eine Überraschung für sie. Er wolle ein Haus nur für sie bauen, und zwar ein richtiges, modernes Haus mit Luxusausstattung und der neuesten Haustechnik, mit Meerblick, aber ohne schreiende Kinder. Es sollte gleich neben dem alten Sommerhaus stehen, aber um Meilen besser sein. Sie hätten dort einen großen Fernsehschirm, der an ein irgendwie in die Wände eingebautes Lautsprechersystem angeschlossen wäre. Im alten Haus gab es nur ein kleines Radio, mit dem man die Baseballspiele der Boston Red Sox nur verfolgen konnte, wenn man es aufs Fensterbrett stellte und die Antenne im richtigen Winkel ausrichtete.
    »Wäre das nicht wundervoll?«, sagte Alice zu ihrem Mann, als Pat ihnen seine Pläne eröffnet hatte. »Ein Unterschlupf nur für uns zwei. Keine Viecher im Dachgebälk, kein Schimmelgeruch im Bad. Und kein undichter alter Kühlschrank.«
    »Aber genau das macht doch ein Sommerhaus aus«, sagte Daniel. »Wenn wir alleine in einem perfekten Haus sitzen wollen, können wir gleich in Canton bleiben. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ihr uns loswerden wollt.«
    Alice sagte, das sei vollkommener Unsinn, obwohl sie eigentlich dasselbe dachte. Die Pläne klangen extravagant und widersprachen ihrer Vorstellung von einem Familienferienhaus. Aber Patrick hatte schon alles ausgetüftelt und er hatte so glücklich ausgesehen, als er ihnen davon erzählte. Außerdem, meinte er, würde ein zweites Haus auf dem Grundstück den Marktwert steigern.
    »Wie bei Monopoly«, hatte er gesagt, und Alice hatte gelacht. Aber hinter Daniels verkrampftem Lächeln sah sie, dass er den Kommentar als herablassend empfand.
    Als das Haus stand, ließ Patrick das Anwesen neu schätzen und erklärte, dass es jetzt über zwei Millionen Dollar wert sei. Alice wurde schwindelig. Zwei Millionen Dollar für ein Grundstück, das ihnen ein halbes Jahrhundert zuvor einfach in den Schoß gefallen war!
    »Siehst du? Unser Junge ist ein schlaues Bürschchen«, sagte sie zu Daniel.
    Aber Daniel schüttelte den Kopf und sagte: »Es ist nicht gut, so über Geld zu reden. Unser Zuhause ist unverkäuflich.«
    Sie blickte in seine traurigen Augen und lächelte. Auch sie wollte dies alles festhalten, genau wie er.
    Alice legte ihm eine Hand auf die Wange. »Niemand hat etwas anderes behauptet.«
    Von ihren drei Kindern hatte es Patrick, der Jüngste, mit Abstand am Weitesten gebracht. Er hatte die Boston College High School besucht und war in seinem letzten Schuljahr dort mit Sherry Burke, der Tochter des Bürgermeisters von Cambridge, zusammen gewesen. Sherry war ein nettes Mädchen, und ihre Familie hatte Patrick in die Welt der guten Dinge einführt. Alice glaubte, dass es die Jahre mit Sherry gewesen waren, die in Patrick den Wunsch geweckt hatten, das große Geld zu machen. (Heute sah sie Sherry, die jetzt Senatorin war, manchmal im Fernsehen.) Nach der Schule ging Pat zur Notre-Dame-Universität und machte den

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