Sommer in Venedig
»Wenn du mich fragst, ist sie nur
ein Zeitvertreib für ihn.«
»Was für ein mieser Charakter!«, konterte
Rebecca.
Ariana seufzte. »Schon, ja! Aber er ist jung. Er
ist attraktiv. Er ist frei. Und sie schmeißt sich ihm, ehrlich gesagt, immer
wieder an den Hals und bietet sich an.«
Rebecca sah die Freundin an, lächelte schief und
sagte: »Danke, dass du mich heute Abend ertragen hast, aber ich glaube, ich möchte
jetzt lieber allein sein.«
»Soll ich dich zu deinem Zimmer bringen?«
Sie erhoben sich gemeinsam von der Bank.
»No, Grazie! Nein, danke, ich schaffe das schon
noch allein.« »Dann versuche, gut zu schlafen! Ciao!«
Kapitel 10
Die Schürze hatte Rebecca gleich in der Küche
gelassen. Am liebsten hätte sie sich schon auf dem Weg zum Innenhof ihres engen
Rocks entledigt, aber so betrunken war sie nun doch nicht, dass sie nicht
wusste, was sich gehörte und was nicht. Wenigstens die Bluse. Zwei Knöpfe nur,
um ein bisschen Luft an den verschwitzten Körper zu lassen.
Sie öffnete die Tür zum Innenhof und lauschte, ob
sie Emilia hörte. Auf die Beiden hatte sie nun wirklich keinen Nerv mehr heute
Nacht. Alles war still, nur die Blätter rauschten leise im Wind. Sie zog die
Schuhe aus und ging den Sandweg entlang. Am Brunnen machte sie halt und
benetzte ihr Gesicht mit dem kühlen Wasser. Ihr Kopf war schwer und sie wünschte,
sie hätte nicht so viel getrunken. Oder wenigstens etwas gegessen. Bei dem
Gedanken an Essen wurde ihr schlecht.
»Oh, nein!«, stöhnte sie auf Deutsch. »Nicht das
auch noch!« Aber es half nichts. Sie schaffte es gerade noch, sich in die Büsche
zu schlagen, als sie auch schon die Getränke erbrach. Glas für Glas, so schien
es ihr.
Als es vorbei war, lehnte sie erschöpft den Kopf
an den Stamm einer Palme. Sie fröstelte. Minuten später setzte sie sich wieder
an den Brunnenrand und schöpfte mit der Hand von dem Wasser, um sich wenigstens
den Mund auszuspülen. Sie beugte sich vor und tauchte das ganze Gesicht ins
Wasser. Sie wollte wieder klar im Kopf werden. Was für eine peinliche Aktion.
Das war so gar nicht ihre Art. Schon gar nicht für irgendeinen Typ. Da waren
ihr bisher ihre Studien viel wichtiger gewesen. Was war nur in sie gefahren? Da
freute sie sich die ganze Woche auf ihren ersten freien Tag, um sich die Stadt
anzusehen, und was tat sie? Sie würde mit Kopfschmerzen aufwachen, wohlmöglich
gar nicht aufstehen können. Noch einmal tauchte sie den Kopf unter Wasser. Als
sie sich aufrichtete und sich die nassen Haare aus dem Gesicht strich, stand
ein Becher mit Cappuccino vor ihr auf der Mauer. Erschrocken blickte sie sich
um.
»Ciao, piccola! Ti senti meglio adesso?«
Sie erkannte seine dunkle, samtene Stimme sofort.
Aber wieso nannte er sie »Kleine«?
»Ja, danke! Es geht schon wieder«, antwortete sie
stattdessen. »Der Amaretto hat mir wohl zu gut geschmeckt.«
»Sì, das schätze ich auch.« Er hielt ihr den
Becher an die Lippen.
»Trink, piccola! Das hilft!«
Und es half tatsächlich. Zumindest half es, den
bitteren Geschmack loszuwerden. Auch der Schwindel ließ etwas nach.
»Haben dir die Blumen gefallen?«, fragte
Gregorio. Rebecca errötete, aber es war dunkel. Sowieso musste sie schrecklich
aussehen: mit nassen Haaren und verschmiertem Make-up. Zum Glück hatte sie es
nur ganz dünn aufgetragen.
»Sì, tanto!« Sie hatten ihr sehr gefallen.
»Ich wollte, dass du an mich denkst, während ich
fort bin«, sagte er leise und streifte ihren Arm. Sofort breitete sich eine
wohlige Gänsehaut an der Stelle aus, an der er sie berührt hatte.
»Haben Emilia und die anderen Zimmermädchen auch
einen Strauß abbekommen?«, fragte sie stattdessen und sah ihm dabei fest in die
Augen. »Sicher könntest du es nicht ertragen, dass auch nur eine Einzige von
uns nicht an dich denkt, stimmt‘s?«
»Sie denken nicht an mich«, antwortete er. »Sie
denken an den Besitz der Savera, den ich für sie verkörpere.«
Rebecca dachte nach, was nicht so einfach war,
denn noch immer war ihr schwindelig. Nur wusste sie inzwischen nicht mehr, ob
es am Alkohol oder an Gregorios vermeidlich charmanter Seite lag.
»Was sollte ich mit deinem Besitz wollen? Ich
meine, es ist wunderschön, euer Hotel. Aber ich möchte Venedig kennenlernen.
Das ist alles.«
Er sah ihr tief in die Augen. Dann nickte er. »Ja,
ich weiß!«
Laut knurrte Rebeccas Magen, als Gregorio sie zu
ihrem Zimmer begleitete.
»Ich werde dir noch ein paar Kleinigkeiten
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