Sommer in Venedig
Monate, Mondphasen und Sternzeichen an. Wie
unglaublich beeindruckend, was schon vor so langer Zeit von Menschenhand
geschaffen worden war. Das waren die Dinge, die Rebecca immer wieder aufs Neue
faszinierten. Und das war der Grund, warum sie ihr Studium mit solcher
Leidenschaft absolvierte.
Sie setzte sich einen Moment und trank von dem
Wasser. Die Sonne brannte inzwischen ohne Erbarmen vom Himmel. Schließlich
machte sie sich auf zur Kirche Santa Maria Formosa. Zunächst passierte sie noch
die Mercerie, Venedigs Flaniermeile. Doch hier waren die Preise derart hoch,
dass Rebecca beschloss, sich lieber in die kleinen Gassen zu begeben, eben
Richtung besagter Kirche.
Erst hier in diesen verwinkelten Gassen spürte
sie die uralte Seele der Stadt. Mit dem Kopfsteinpflaster unter den Füßen,
blickte sie immer wieder die alten Mauern empor. Plötzlich tat sich ein kleiner
Platz vor Rebecca auf und die Kirche der »dicken Maria« zeigte sich ihr. Während
sie auf einer Mauer saß und ihr Brötchen verzehrte, erfreute sie sich eine
Weile an dem barocken Glockenturm aus dem 17. Jahrhundert. Kurz darauf begab sie sich wieder in die
schattigeren Gassen.
Inzwischen war es früher Nachmittag und sie
wollte noch gern die Kirche San Salvador besichtigen, bevor sie sich auf den Rückweg
machte. Sie musste ja nicht ganz Venedig an einem Tag erobern, sondern würde
noch genügend andere Gelegenheiten haben. So versuchte sie, wieder zurück auf
die Geschäftsstraße Venedigs zu gelangen. Aber die schmalen Gassen wollten kein
Ende nehmen. Egal wo sie abbog, sie traf nur immer wieder auf eine andere urige
Gasse. Menschen traf sie nicht, die sie hätte fragen können. Es war Nachmittag.
Die Venezianer waren - im Gegensatz zu den Touristen - schlau genug, die heißeste
Zeit des Tages in ihren Wohnungen zu verbringen. Verzweifelt suchte sie weiter
nach einem Ausgang aus dem Labyrinth. Sie war den Tränen nah, als sie den
hochgewachsenen Mann mit dem Zeichenblock erblickte. Er saß etwas abseits auf
einer Treppenstufe. Sein Haar glänzte schwarz und als er aufblickte, glänzten
auch seine Augen: smaragdgrün. »Gregorio!«, rief sie und stürzte erleichtert
auf ihn zu. Er hatte gerade noch Zeit, sich aufzurichten, den Block abzulegen
und die Arme auszubreiten, in die sie sich erleichtert fallen ließ.
Rebecca hatte sich eigentlich fest vorgenommen,
ihre nächste Begegnung distanzierter ausfallen zu lassen, doch sie war so erschöpft
und froh, ihn zu sehen, dass sie alle Vorsätze vergaß. Auch konnte sie nicht gänzlich
das angenehme Kribbeln ignorieren, das ihren gesamten Körper bei der Umarmung
erfasste.
»Ma piccola! Aber Kleines, was machst du denn
hier? Bei dieser Hitze und ganz allein?«
»Ich besichtige Venedig. Endlich habe ich frei.
Endlich kann ich das tun, warum ich hier bin.« Ihre Augen leuchteten. »Und das
wäre?« Gregorio sah sie fragend an.
»Ich atme die Vergangenheit dieser Stadt ein.«
Gregorio lachte und drückte sie fest an sich,
bevor er ihr einen Kuss auf die Stirn drückte, was das Kribbeln nur noch verstärkte.
»Und stattdessen hätte die Stadt nun fast dich
eingeatmet und verschluckt, was?«
»Ich wollte nur noch kurz die San Salvador-Kirche
aufsuchen, dann zur Rialtobrücke und von dort mit dem Vaporetto zurück zum
Hotel. Aber ich habe mich wohl verlaufen.«
Unglücklich sah sie zu ihm auf.
»Und was tust du hier?«, fragte sie dann.
»Also, wenn du die Vergangenheit einatmest, dann
muss ich sie ja noch schnell zeichnen, bevor sie weg ist.«
Er zwinkerte ihr zu.
»Was? Das kannst du?« Begeistert griff Rebecca
nach seinem Zeichenblock. Belustigt sah er zu, wie sie mit großen Augen jede seiner
Zeichnungen, die er heute angefertigt hatte, studierte.
»Das ist einfach fantastisch!«, sagte sie schließlich
mit roten Wangen.
»Es freut mich, dass sie dir gefallen.« Er nahm
ihr den Block aus der Hand.
»Gefallen?« Sie boxte ihn in die Seite. »Ich würde
alles geben, für solche Bilder«, sagte sie leidenschaftlich.
»So, so!«, sagte er und legte einen Arm um
Rebecca. Ihre Knie wurden weich und sie errötete.
»Dann wollen wir mal sehen, ob wir gemeinsam die
Rialtobrücke finden. Aber bevor du ablegst, essen wir noch ein Eis.
Versprochen?«
Dankbar nickte Rebecca. »Na, dann mal los!«
Kapitel 12
Es war noch nicht ganz dunkel draußen, als
Rebecca schon im Bett lag und an die Decke starrte. Sie hatte sich den Staub
und Schweiß des Tages vom Körper
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