Sommer mit Nebenwirkungen
Sophie freute sich, dass Nina so schnell wieder in den Job eingestiegen war. Aber wenn sie ehrlich war, machte ihr das auch zu schaffen. Die letzten Jahre über waren ihre Rollen gerecht aufgeteilt gewesen: Sophie, erfolgreich im Beruf, aber kinderlos. Nina, die Mutter von zwei süßen Jungs, war zu Hause, zog glücklich ihre Kinder groß und lamentierte gleichzeitig, das ganze Studium sei umsonst gewesen. Sophies Aufgabe war es dann, sie zu beruhigen. Sie prophezeite ihr, wie schnell sie wieder in den Beruf zurückfinden würde. Sagte ihr, wie gut sie war. Studienbeste. Und tatsächlich, sie hatte recht behalten. Sobald die Jungs alt genug waren, war es genau so gekommen. Keine vier Wochen hatte Nina nach Arbeit gesucht. Inzwischen sprach man sogar schon über eine Beförderung. Nina hatte nun beides, Kinder und einen Beruf. Das setzte Sophie mehr zu, als sie zugeben wollte.
Fünf und acht waren die kleinen Terroristen jetzt. Sophie kam es vor, als seien sie erst gestern zur Welt gekommen. Kinder machten einem erbarmungslos klar, wie die Zeit verging. Wo waren die Jahre geblieben? Und was hatte sie, Sophie, in dieser Zeit gemacht? Gearbeitet, mehr nicht. Hunderte von Kandidaten, Tausende Rollenspiele, Woche für Woche das Gleiche. Jetzt war sie achtunddreißig Jahre alt und rauschte mit hohem Tempo auf die vierzig zu.
Langsam wurde es eng. Und die Fertilisations-Klinik brachte bislang auch keinen Erfolg. Im Gegenteil.
Die Bonsais standen still und stumm da. Von ihnen konnte sie keine Reaktion erwarten, da halfen auch die hübschen Namen nicht. Sophie beschloss, Nina einfach zu schreiben. Gestern Abend in der Kneipe hatte Nina sie überredet, sich bei einer neuen Plattform anzumelden. »Polonaise.com«, darüber laufe jetzt ihre gesamte Kommunikation.
»Vergiss Facebook«, sagte sie. »Komm auch dahin. Du kannst dein gesamtes Adressbuch mitnehmen, Polonaise ist viel lustiger. Da sind jetzt alle, ehrlich!«
Es dauerte einen Tequila Sour, bis sie Sophie überredet hatte, den Profilnamen »Doodle« zu wählen. Und einen zweiten, von Nina bezahlten Sour, bis sie eines der einschlägigen Hundebilder als Icon zugelassen hatte. Sophie zog ihr Smartphone heraus. Es stimmte, schon die App sah hübsch aus.
Bei irgendwem musste sie sich ausheulen, und Nina war im Gegensatz zu ihr eine richtige Händchenhalterin. Sie galt als besonders einfühlsam. Das hatte sie nun davon. Sophie rief ihr Doodle-Profil auf und hämmerte auf den Touchscreen: »ICH WILL ENDLICH EIN BABY!!!!« Wie gut es tat, das einmal rauszulassen. In aller Deutlichkeit, ein einziges Mal. Nina würde damit umgehen können, das wusste Sophie. Die neue Plattform stellte noch die üblichen Standardfragen »Willst du wirklich …«, »Möchtest du …«. Ja, ja, ja, drückte Sophie ungeduldig. Weg war das Posting an ihre Freundin. Sie fühlte sich besser nach diesem Ausbruch, nun konnte sie wieder zur Arbeit gehen.
Auch die Bonsais sahen ganz zufrieden aus. Sophie packte die Gartenwerkzeuge in die Kiste, zog die Handschuhe aus und stellte die Sprühflasche an die Wand. Emil raschelte noch einmal zum Abschied, als sie die Tür zum Garten schloss.
Auf dem Weg nach unten rätselte Sophie kurz, warum diese Plattform eigentlich »Polonaise« hieß. Plötzlich sah sie eine Reihe vergnügt tanzender Fünfzigjähriger im Karnevalskostüm vor sich, die dazu Gottlieb Wendehals’ »Löcher aus dem Käse« grölten. Ihr fiel wieder der traurige Heinlein ein, dem sie doch einen Cappuccino aus der Teeküche mitbringen wollte. Das würde sie noch schnell erledigen. Und mit dem starken Gefühl, etwas Gutes zu tun, betrat sie das Assessment-Center. Es ging ihr wieder deutlich besser. Hoch lebe Zen! Dreimal hoch.
3
Gabeltest – wie harmlos das klang. Die meisten Kandidaten, das war Sophies Erfahrung, unterschätzten diese Hürde. Sie gaben sich viel Mühe, in den Spontanvorträgen zu glänzen, sie waren auf alle Tests hervorragend vorbereitet, nicht nur auf den IQ-Test, auch auf den Stresstest, den Postkorb, sogar auf den McKinsey-Griffin-Test, der gerade aus den USA herübergeschwappt war. Aber der Gabeltest schien eine Sache zu sein, die man mit links erledigte. Mittags mit einem Mitarbeiter des Assessment-Centers eine Kleinigkeit essen zu gehen und ein bisschen Small Talk zu machen, was konnte da schon schiefgehen?
Alles. Das hatte Sophie inzwischen erkannt. All die anderen Tests waren schön und gut, ausschlaggebend war aber meist das scheinbar lockere Gespräch unter
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