Sommer mit Nebenwirkungen
schon.« Jetzt grinste Sophie noch breiter. Es fing endlich an, Spaß zu machen.
»Also gut«, gab er sich geschlagen und musste nun auch ein bisschen lachen. »Wir können uns über die Top-Five-Bücher der Sachbuchbestsellerliste unterhalten, habe sie alle angelesen. Allerdings nur den Buchrücken, die ersten zehn und die letzten zehn Seiten. Danach wurden mir die Sessel im Buchladen zu unbequem. Oder, Thema zwei, wir sprechen über die Vorteile des Timesharing-Arbeitszeitmodells. Am liebsten würde ich allerdings über Freeclimbing plaudern.«
»Freeclimbing«, wiederholte Sophie ehrlich erfreut, »das klingt gut. Genau darüber reden wir – aber woanders.«
Sie drehte sich auf dem Absatz um und schlüpfte unter Paul Grotemeyers ausgestrecktem Arm hindurch, wobei ihre Handtasche kurz an ihm hängen blieb. Grotemeyer blickte nun ehrlich irritiert zum Kellner und zum Italochef, die fragend die Schultern zuckten. Etwas lief hier anders als sonst. Man sah Paul Grotemeyer an, dass ihm dieser Wandel missfiel, bislang war er sich seiner Sache so sicher gewesen. Tja, dachte Sophie hämisch, er hätte halt achtsamer sein müssen – eine Frau mit einer gebrochenen Nase war unberechenbar. Jetzt war sie schon auf ihren hohen Absätzen zur Tür hinaus und stand auf der Straße.
Es war ein warmer Tag. Ein kurzer Spaziergang, vor dem Billigbäcker »Greif Zu« standen Stühle in der Sonne, ältere Herren mit Bierflasche und Zigarette nahmen ein spätes flüssiges Frühstück ein. Eine Frau zählte in einer Blechdose ihre Selbstgedrehten und redete dabei eindringlich mit sich selbst. Potse-Alltag. Nach wenigen Schritten erreichten sie ihr Ziel.
Dieses Mal vergaß Paul Grotemeyer, die Tür zuvorkommend für Sophie aufzuhalten. Er war verwirrt. Sie musste die Tür selbst aufdrücken und hielt dies für ein gutes Zeichen. Keine Routine mehr. Paul Grotemeyer stand mit offenem Mund vor der Glasscheibe und starrte auf das große goldene »M«, das aus Pommes frites geformt war.
»Wir gehen ins Schnellrestaurant?«, fragte er sichtlich aus der Bahn geworfen. Höflich hielt Sophie ihm jetzt die Tür auf: »Ich habe gehört, die sollen ein hervorragendes Mittagsmenü anbieten«, sagte sie leichthin.
Lange Schlangen standen vor den fünf Kassen. Seitdem das Viertel im Kommen war, änderte sich auch die Kundschaft. Vor zwei Jahren noch hatten hier fast nur türkische und arabische Jugendliche herumgehangen. Jetzt dominierten die Schwarzgekleideten das Bild: Architekten, Werbeleute, Filmemacher, Galeristen. Sophie stellte sich ganz rechts an.
»So, so, eine Frittenbude«, sagte Paul Grotemeyer und versuchte dabei analytisch zu klingen, als ob er verstünde, was hier lief. »Steckt Ihr Arbeitgeber in finanziellen Schwierigkeiten? Müssen Sie sparen?«
»Was möchten Sie?«, sagte Sophie, ohne auf die Fragen einzugehen. »Sie können natürlich auch ein Maxi-Menü bestellen. Da sind wir großzügig.«
Paul Grotemeyer studierte kurz die Tafeln. »Ein McMenü«, sagte er, »mit Sprite. Normale Größe. Das habe ich zuletzt im vorigen Jahrtausend gegessen.« Er schaute sich um. »Ungewöhnlicher Laden hier. Das war nicht immer ein McDonald’s, habe ich recht?«
»Sie interessieren sich für Architektur?«, fragte Sophie. Ein Manager, der sich nicht nur mit Geld und Trendsportarten abgab, das war ein weiterer Pluspunkt. Grotemeyer betrachtete weiterhin neugierig die Umgebung.
»Fünfzigerjahre, vermute ich. Dieses Spitzdach gefällt mir. Und die große Fensterfront zur Straße. Eine moderne Kathedrale – ein Hamburger-Palast sozusagen«, redete er unbekümmert weiter.
»Das hier war mal der Berlin-Pavillon einer internationalen Bauausstellung. Damals, als die Stadt noch geteilt war. Ketchup oder Mayo?« Der junge Typ an der Kasse nahm die Bestellungen auf.
Es dauerte eine Weile, bis sie alles zusammenhatten. Eis in den Behälter, Getränke aufgefüllt, Strohhalme und Servietten besorgt. Zum Glück wurde gerade ein Tisch direkt unter der hohen Natursteinwand frei. Eine Wand, wie man sie aus alten James-Bond- und Hitchcock-Filmen kannte. Sophie steuerte darauf zu. »Ich komme gleich«, hörte sie Grotemeyer hinter sich sagen.
Wenig später tauchte er auf – mit einem Spielzeug aus der Happy-Meal-Menü-Reihe. Ein kleiner singender BigMac aus Plastik, man musste nur oben auf das Brötchen drücken, dann rappte er los. »Beiß in mich rein, das Erlebnis ist krass, ich bin saftig und lecker, bin ein Doppeldecker.« Er stellte ihn vor
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