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Sommer, Sonne, Ferienglück

Sommer, Sonne, Ferienglück

Titel: Sommer, Sonne, Ferienglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heim
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Pauli sah eine Allee aus großen, blühenden Oleanderbüschen, sah das Portal des Hauses, sah Stufen, und neben den Stufen, die die Zeit braun-grünlich gefärbt hatte, standen zwei Steinfiguren: Steinerne Göttinnen, die eine den rechten Arm wie zum Gruß erhoben, die andere mit leicht geneigtem Kopf, eine Früchteschale haltend …
    Hedwig Pauli lehnte sich im Sessel zurück und schloß die Augen.
    Linda Keller hielt den Atem an: Was zum Teufel war heute nur mit der Alten los?
    Ja – was?!
    Etwas war geschehen. Man könnte es vielleicht so erklären, daß die Zeit für Hedwig Pauli plötzlich aus dem Schritt gekommen war, sie hielt nicht nur an, sie lief zurück, spulte sich rasend ab. Sechzig Jahre sind wirklich kein Pappenstiel – aber schwumm, sie waren wie ausgelöscht.
    Mit einem Male war Hedwig Pauli wieder sechzehn.
    »Frau Pauli …«, flüsterte Linda Keller beklommen.
    Langsam öffnete Hedwig Pauli die Lider: »Die hatten Moos drauf, Linda.«
    »Wie bitte?«
    »Da, guck doch.« Der Zeigefinger deutete auf das Bild: »Hier, die Figur. Nein, nicht beide. Nur die linke. Sie hatte so ein wunderhübsches Gesicht. Aber auf dem Busen wuchs Moos.«
    »Moos?«
    »Benito hat's abgekratzt. Wir haben uns halb schiefgelacht. Ich war siebzehn damals, nein, nicht mal. Tatsächlich, Linda; ich war ja erst sechzehn.«
    Sie blickte hoch, mit tiefem Staunen, und nur langsam gewann der Blick an Schärfe zurück. Hedwig Pauli räusperte sich. Dann schob sie mit der blaugeäderten, pergamentenen Altfrauenhand die Blätter zur Seite.
    »Laß mal, Linda! Machen wir weiter. Schmeißen Sie das Zeug … das heißt, nein … lassen Sie es liegen. Und mit der Post gehen Sie gleich rüber zu Westerhagen. Der soll die für mich heute erledigen, capito? Alles klar?«
    Linda Keller nickte. Was anderes gab's für sie ja nicht zu tun. Aber ›capito‹ und alles klar? Was war denn um Himmels willen bloß in die Chefin gefahren?
    Hedwig Pauli hatte die Lesebrille auf der Nase, ehe sich hinter Linda Keller die Türe schloß.
    Wieso druckten die die Buchstaben immer nur so klein?
    »Vom hoteleigenen Badestrand, tauchen Sie in das angenehm temperierte Wasser des größten der italienischen Seen …«
    Lauwarm war es gewesen und wirklich wunderschön. Und am anderen Ufer sah man Garda, und wie hieß das noch, ganz vorne an der Spitze … ja, Vigilio … Ich hatte so ein rotes, grauenhaftes Gummiding von Badekappe auf dem Kopf, in dem ich nie meine Zöpfe unterbrachte.
    Villa Caruso …
    Hedwig Pauli erhob sich so gut, als es die sechsundsiebzig Jahre und das Gewicht zuließen, ging zum Bücherschrank, öffnete eine schmale Tür. Richtig. Sie wußte doch, daß es hier noch eine Flasche Grappa gab. Und der Doktor Schürmann mit seinem ewigen Gefasel über ihren Zucker konnte ihr jetzt auch gestohlen bleiben.
    Hedwig griff zu, und als nun der saubere, bitterklare Geschmack des Tresters ihre Zunge liebkoste, faßte sie noch einen anderen Entschluß.
    Sie ging zum Schreibtisch und drückte die Sprechtaste: »Linda, sagen Sie dem Karsten, er soll den Wagen vorfahren. Was haben wir denn heute für Termine? Ach ja? … Macht auch nischt … Der Herr Wollmann soll die für mich wahrnehmen. Und was er nicht schafft, bringen wir halt am Donnerstag und Freitag unter. Ich jedenfalls, Linda, ich fahr' nach Hause. Und noch was: keine Anrufe. Ist das klar?«
    Hedwig Pauli legte auf, pflückte den Prospekt der Villa Caruso von der Schreibtischplatte und schob ihn in ihre rechte Jackentasche.
    Auf dem Weg zur Tür vermied sie den Blick in den Spiegel.
    Sechzehn war ich damals, richtig. Diese Stein-Göttinnen? Aphrodite oder so was? Benito hatte der einen tatsächlich das Moos vom Busen gekratzt. Na, bei meinem brauchte er das nicht. Was war der noch frisch und schön. Und dann am Abend …
    ***
    »Spreche ich mit Schmidle-Reisen? Könnte ich bitte den Sachbearbeiter bekommen, der für die Buchungen des Hotels Caruso zuständig ist?«
    »Da sind Sie bei mir schon richtig, gnädige Frau. Kann ich Ihnen helfen?«
    »Vielleicht. Mein Name ist Pauli.«
    »Schmidle.«
    »Ah, dann sind Sie der Chef?«
    »Richtig.«
    »Na, großartig. Jetzt hören Sie mir mal zu, Herr Schmidle: Ich halte da gerade Ihren Hotelprospekt in Händen.«
    »Die Villa Caruso ist eines unserer …«
    »Erzählen Sie mir nichts, Herr Schmidle. Die kenne ich. Dort war ich schon – vor mehr als sechzig Jahren.«
    »Wirklich?«
    »Ja wirklich. Und da mich einige, hm – nennen

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