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Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Titel: Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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sonderlich interessant.“
    „Auf seine eigene Weise ist das Leben eines jeden interessant“, entgegnete sie.
    „Nett, dass Sie das sagen“, lächelte er. „Ich bin sicher, Sie sind da keine Ausnahme. Ich freue mich schon darauf, Sie besser kennenzulernen.“
    Claire erwiderte nichts. Sie hielt den Blick auf die Straße gerichtet – eine sich schlängelnde, wenig befahrene Landstraße, die zu einem kleinen Städtchen namens Avalon führte.
    Welche Claire würde sie diesem freundlichen, dem Tode geweihten alten Mann zeigen? Die Star-Krankenschwester? Die Singlefrau, die keine Besitztümer hatte und ihr Leben von Anstellung zu Anstellung lebte? Sie fragte sich, ob er sie durchschauen, das wurzellose Individuum erkennen würde, das sich hinter dem dünnen Schleier eines vorgeblichen Lebens versteckte. Manchmal fühlten ihre Patienten, dass irgendwas mit ihr nicht ganz stimmte.
    Was mit ein Grund dafür war, dass sie nur mit sterbenskranken Patienten arbeitete. Eine betrübliche Begründung, aber wenigstens machte sie sich nichts vor.
    „Glauben Sie mir“, sagte sie zu George. „Ich bin nicht sonderlich interessant.“
    „Oh doch, das sind Sie“, erwiderte er. „Zum Beispiel IhrBeruf. Ich finde das eine interessante Wahl für eine junge Frau. Wie sind Sie auf diesen Zweig gekommen?“
    Darauf hatte sie eine Standardantwort. „Mir hat es schon immer gefallen, mich um Menschen zu kümmern.“
    „Aber um sterbende Menschen, Claire? Das muss einen doch manchmal ganz schön frustrieren, oder?“
    „Vielleicht suche ich mir deshalb nur reiche alte Widerlinge als Patienten aus“, erwiderte sie mit ungerührtem Gesichtsausdruck.
    „Ha! Das habe ich verdient. Trotzdem bin ich neugierig. Sie sind eine liebenswerte, kluge junge Frau. Da frag ich mich …“
    Sie wollte nicht, dass er sich Fragen über sie stellte. Sie war eine sehr verschlossene Person. Nicht aus freiem Entschluss, sondern aufgrund einer Frage von Leben und Tod. Sie lebte ein Leben, das aus Lügen bestand, die jeglicher Grundlage entbehrten, und aus Geheimnissen, die sie mit niemandem teilen konnte. Die einzigen Wahrheiten über sie waren die nichtssagenden Details, Cocktailparty-Geplauder – nicht, dass sie jemals auf Cocktailpartys eingeladen würde. Die Person, die sie tief in ihrem Inneren war, blieb verborgen, und das war vermutlich auch gut so. Wer wollte schon von den endlosen Nächten wissen, in denen ihre Einsamkeit so tief und messerscharf war, dass sie sich komplett ausgehöhlt fühlte? Wer wollte wissen, dass sie so ausgehungert war nach einer menschlichen Berührung, dass ihre Haut sich manchmal anfühlte, als stünde sie in Flammen? Wer könnte ihren Wunsch verstehen, aus ihrer Haut zu schlüpfen und einfach wegzugehen?
    Als sie damals untergetaucht war, hatte sie ihr eigenes Leben gerettet. Aber erst viel später hatte sie bemerkt, zu welchem Preis. Er war so einfach wie exorbitant: Sie hatte alles aufgegeben, inklusive ihrer Identität.
    „Ich schlage vor“, sagte sie, „wir konzentrieren uns auf Sie.“
    „Einer Frau mit einem Geheimnis habe ich noch nie widerstehen können“, erklärte er. „Ich werde es herausfinden, und wenn es mich umbringt. Ja, vermutlich wird es mich umbringen.“Sein Vergnügen war nicht unbedingt etwas Schlechtes. Humor hatte durchaus seine guten Seiten, selbst in einer Situation wie dieser.
    „Sie haben Besseres zu tun, als in meinem Leben herumzuwühlen, George. Ich würde sowieso viel lieber mehr von Ihnen erfahren. Diesen Sommer geht es nur um Sie.“
    „Und das finden Sie nicht deprimierend? Ihre Zeit mit einem alten Mann zu verbringen und darauf zu warten, dass er stirbt?“
    Claire lächelte. „Es wird viel leichter, wenn Sie sich entschließen, dass es diesen Sommer um Ihr Leben geht und nicht um Ihren Tod.“
    „Meine Familie findet, dass Sie nicht die Richtige für mich sind.“
    „Ich schätze, deshalb haben sie die Polizei gerufen. Vielleicht bin ich auch nicht die Richtige. Wir werden sehen.“
    „Bislang kommen wir doch fabelhaft miteinander zurecht.“ Er machte eine Pause. „Oder nicht?“
    „Sie haben mich gerade erst engagiert. Wir kennen uns erst seit drei Tagen.“
    „Ja, aber das waren drei sehr intensive Tage“, merkte er an. „Einschließlich der langen Fahrt von der Stadt hier raus. Auf einer Autofahrt lernt man viel über einen Menschen. Sie und ich kommen prima zurecht.“ Eine weitere Pause. „Sie sind so still. Stimmen Sie mir nicht zu?“
    Claire vertrat den

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