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Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens

Titel: Sommer unseres Lebens - Wiggs, S: Sommer unseres Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Wiggs
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Gebäcks, Keksen und Fruchttorten. Und dann war da noch die Spezialität des Hauses, etwas, das sich Kolache nannte und ein dickes, weiches, mit Fruchtmarmelade oder Quark gefülltes Teilchen war.
    Ein Song der Indigo Girls erklang aus zwei kleinen Lautsprechern. Der Fußboden der Bäckerei war im schwarzweißen Schachbrettmuster gefliest, die Wände in sonnigem Gelb gestrichen. Es war ein altmodischer Laden mit Glasvitrinen,einer großen, schweren Kasse aus Messing und einer mit der Hand geschriebenen Tageskarte. An der Wand tickte eine Uhr in Form einer Katze, die die Augen rollte und deren Schwanz als Pendel diente. Hinter dem Tresen hingen gerahmte Fotografien und Andenken – eine gerahmte Dollarnote, ein Gewerbeschein, Zeitungsausschnitte und eine Sammlung von Familienfotos, darunter vergilbte Ausrisse über die Eröffnung des Ladens vor beinahe sechzig Jahren.
    George wirkte hier wie ein anderer Mensch. Sanftmütig und versonnen, ganz ohne die Ungeduld, die er auf der Fahrt von Manhattan hierher ab und zu gezeigt hatte. Vor dem Haupttresen hatte sich eine kleine Schlange gebildet. George wartete, bis er an der Reihe war, und gab dann seine Bestellung auf: einen Cappuccino, eine Kolache und einen glasierten Ahornriegel. Außerdem bestellte er eine Box koscherer Bialys und einen Erdbeerkuchen zum Mitnehmen.
    Claire nahm ein Glas mit Honigkraut gesüßten Eistees.
    Sie setzten sich an einen Tisch, über dem ein großes Poster hing, das ein Bild des Willow Lakes zeigte. Ein Junge in einer mehlbestäubten Schürze, dessen Namensschild ihn als Zach auswies, brachte ihnen ihre Bestellung. Er war ein ungewöhnlich aussehender junger Mann. Sein Haar war so blond, dass es beinahe weiß erschien – doch es war nicht gefärbt, sondern natürlich. Claire hatte ihre eigene Haarfarbe oft genug verändert, um den Unterschied erkennen zu können.
    „Guten Appetit“, wünschte er.
    „Sie haben gar nichts bestellt.“ George schaute demonstrativ auf ihr Glas. „Wie können Sie einen Laden wie diesen betreten und nicht wenigstens eine der Köstlichkeiten probieren wollen?“
    „Glauben Sie mir, ich würde am liebsten alles probieren“, gab sie zu. „Das kann ich aber leider nicht. Ich hatte früher sehr schlimme Gewichtsprobleme und muss wirklich darauf achten, was ich esse.“
    „Sie besitzen eine erstaunliche Fähigkeit zur Selbstkasteiung.“
    So viel in ihrem Leben ließ sich auf dieses eine Wort zurückführen – Selbstkasteiung. Entsagung. Was sie ihm nicht sagen konnte, war, dass ihre Diät nicht allein mit Gründen der Eitelkeit zu tun hatte. Sie war eine Frage des Überlebens. Als Teenager hatte sie Essen als Trost und Krücke missbraucht und sich in dieses fette, für sämtliche Jungen unattraktive Mädchen verwandelt. Sie war der Albtraum, an den sich jeder aus der Highschool noch erinnerte. Übergewichtig, gehänselt und bei einer Pflegefamilie wohnend.
    Als alles zusammenbrach, hatte ihr Überleben unter anderem davon abgehangen, dass sie ihr Aussehen so sehr veränderte, wie es nur möglich war. Zusätzlich zu einem neuen Haarschnitt und neuer Farbe veränderte sie die Art, sich zu kleiden, zu sprechen und sich zu verhalten. Gewicht zu verlieren war das Schlüsselelement gewesen, um sich so weit wie möglich von ihrem früheren Selbst zu entfremden. Dank ihres jungen Alters und dem Stress auf der Flucht waren die Pfunde schnell gepurzelt. Das neue Gewicht zu halten war allerdings ein täglicher Kampf. Es war so einfach, die Pfunde wieder draufzupacken – und so gefährlich. Alles, was es dazu bräuchte, wäre ein kleines, unschuldig aussehendes Gebäckstück wie das, was George ihr hinhielt.
    Aber sie hatte die ultimative Motivation: am Leben zu bleiben. „Danke, ich möchte wirklich nicht. Genießen Sie es.“
    „Und was zum Teufel werden Sie genießen?“
    „Ihnen zuzusehen, wie Sie die Kolache essen.“ Sie lächelte.
    Er zuckte mit den Schultern. „Tja, es wird mich schon nicht umbringen. Hups – solche Sachen soll ich ja nicht sagen.“
    „Sie dürfen alles sagen, was Sie wollen, George. Sie können auch alles tun, was Sie wollen. Darum geht es in diesem Sommer.“
    „Ich mag Ihre Art zu denken. Ich hätte mein ganzes Leben so leben sollen.“ Er nahm einen herzhaften Bissen von der Kolacheund kaute langsam. Seine Miene wurde ganz weich vor Entzücken. Er öffnete seine Augen und sah, dass sie ihn beobachtete. „Nun“, sagte er. „Es gibt gute und schlechte Neuigkeiten. Die schlechte ist,

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