Sommerflimmern (German Edition)
senkt und die Unterlippe vorstülpt. Vorstülpt wie einen Vorwurf. Als wär Sahnelosigkeit die größte Schweinerei, die die Welt den Koslowskis antun kann. Rasch werfe ich einen Kontrollblick über meine Schulter. Aber hey! Sie ist weg.
Penelope begleitet mich bis vor die Hüttentür. An dieser Kuh ist wirklich ein Hund verloren gegangen. Vielleicht war sie im vorigen Leben einer? Jedenfallsliebt sie mich heiß und innig. Nein, sie tut nur so. In Wahrheit ist sie ein Storchschnabeljunkie. Gierig schließen sich ihre Lefzen um die blassvioletten Blüten, die ich ihr immer vom Seeufer mitbringe. Sobald die letzte vertilgt ist, zeigt sie mir die kalte Schulter und trottet davon.
Geschieht mir recht. Was fall ich auch immer wieder auf berechnende Frauen rein?
Schwimmen macht hungrig. In der Hütte schlage ich mir zwei Eier in die Pfanne und brate die letzte Scheibe Speck. Hoffentlich denkt die Marie dran, mir Nachschub zu bringen, wenn sie den Graukäs abholt.
Nach dem Essen geh ich Kräuter suchen. Wer weiß, wie lang das schöne Wetter noch anhält. Die Almwiese ist voll von Quendel, am besten wächst er zwischen den Almrosen. Ich hab erst ein paar Büschel in den Leinensack gesteckt, als ich einen Motor brummen höre. Ein schwarzer Golf quält sich die Forststraße rauf. Münchner Kennzeichen. Er parkt direkt vor der Hütte.
Ein rotblonder Typ in meinem Alter steigt aus, Anzug, Krawatte, Scheitel wie mit dem Lineal gezogen. Marke Muttis Liebling. Grinst breit und schlendert auf mich zu.
»Gibt’s hier Sahne zu kaufen?«
Jetzt schlägt’s aber dreizehn. Schickt dieseKoslowski doch tatsächlich ihren Bruder her, um mich mit der Sahne zu nerven! Oder ist es ihr Lover? Dann hat sie ja noch weniger Geschmack, als man ihr und ihren Koslowski-Genen zutrauen kann. Jedenfalls hat sie sich geschnitten. »Ich hab doch gesagt, dass ich nichts verkaufe!« Ich dreh mich um und suche das nächste Quendel-Nest.
»Zu wem? Zu mir wohl kaum.«
Blödstellen nützt dir nichts, Krawattenfutzi. »Fahr ins Dorf, da gibt’s einen Laden. Dort bekommt man alles.«
»Da war ich schon. Sahne ist aus. Die Besitzerin hat mich hierhergeschickt.« Jetzt steht er direkt vor mir und schaut auf mich herab. »Fahren S’ zur Flötzer Alm rauf, zum Chris, der hat frische Sahne«, sagt er im Falsett und so nasal, dass ich die Berta vom Laden fast vor mir sehe.
Ich verkneife mir ein Lachen und richte mich auf. Stelle zufrieden fest, dass ich ihn um einen halben Kopf überrage. »Da täuscht sich die Berta. Ich sehe genau zwei Möglichkeiten: Entweder du kommst ohne Sahne aus oder du versuchst dein Glück im nächsten Ort.«
»Aber hier gibt es Milchkühe, da muss es doch auch …«
»Ich verkauf nichts. Keine Milch, keine Butter und Sahne schon gar nicht.« Jedenfalls nicht an die Koslowskis.
Der Krawattenfutzi kramt in seiner Brusttasche und fischt einen zerdrückten Zwanziger heraus, mit dem er vor meiner Nase herumwedelt. »Ich zahle auch gut.«
Wut kriecht mir den Nacken hoch. Dieser angeberische Lackaffe! Meint, für Geld kann er sich alles herausnehmen. »Schleich dich«, knurre ich. »Deine Kohle interessiert hier keinen. Wenn ich sag, ich verkauf nichts, dann verkauf ich nichts. Aus, basta.«
Endlich. Er hat’s kapiert. Kriegt große runde Augen und zieht den Schwanz ein. Schlappt zum Auto zurück, knallt die Tür zu und braust davon. Mit quietschenden Reifen, dass der Hütteneingang minutenlang in eine Staubwolke gehüllt ist. Der Gedanke, dass die Party der Koslowskis jetzt ohne Sahne abgehen muss, freut mich. Kindisch, eh klar. Aber bei den ganzen Problemen, die diese Leute machen, ist es halt ein winziger Triumph. Man gönnt sich ja sonst nichts. Ich versuche, mir Paulas Gesicht vorzustellen, wenn ihr Bruderherz mit leeren Händen auftaucht. Lippen vorgeschoben, Blick gesenkt.
Aber komisch. Ich seh nur die Rehaugen, wie sie unter den langen Wimpern dunkel glänzen. Dazu setzt wie auf ein Stichwort die Solovioline in meinem Kopf ein und beginnt wieder mit Beethoven. Die sehnsuchtsvolle Melodie. Sie lässt sich nicht abschütteln und das ärgert mich. Ärgert mich und ichreiß die Kräuter mit unnötiger Brutalität aus. Als ob das Grünzeug was dafür könnte!
Später kommt die Marie, um die Milch abzuholen. Sie setzt sich zu mir, ich schenke ihr Kaffee ein, sie tut Sahne dazu. Reichlich Sahne. Da erzähle ich ihr die Geschichte.
Die Marie spielt mit ihrem Zopf und hört mir zu und ihre Augen sehen aus wie Steine, die am
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