Sommergayflüster
befand sich links eine Treppe, die wahrscheinlich zu Lucs Zimmer führte. „Ist echt gigantisch hier.“
„Ja“, beklagte sie sich. „Gigantisch teuer, aber wenn man Kinder hat, dann möchte man ihnen ja auch etwas bieten.“
„Stimmt auch wieder.“ Am liebsten wäre ich die Treppe hinaufgestürmt und hätte einen Blick in Lucs Zimmer geworfen.
„Willst du dich mal oben umschauen?“, fragte sie.
Konnte sie meine Gedanken lesen? Gleichgültig zuckte ich die Achseln. „Klar, warum denn nicht?“
„Geh ruhig“, meinte sie locker. „Ich muss sowieso mal.“
Ich war total hibbelig, als ich die Stufen hinaufging und Lucs Zimmer immer näher kam. Das erste gehörte seiner Schwester, gefolgt von einem Bad. Und dann – endlich – das Reich des süßen Kanadiers. Vorsichtig öffnete ich die Zimmertür und äugte hinein. Ich war beeindruckt. Luc hatte Geschmack. Zu gern hätte ich mich auf die Schlafcouch gelegt, auf der eine zerknitterte Bettdecke lag. Sollte ich es wagen?
Leise schloss ich die Tür und huschte zur Couch. Für einen Moment setzte ich mich darauf und fasste die weiche Bettdecke an, die ich leicht anhob. Unmittelbar kam mir ein mehr als nur angenehmes Aroma entgegen. Mir wurde ganz warm. Vor nicht allzu langer Zeit hatte ich mal aufgeschnappt, dass Menschen, die für einen gut riechen, die perfekten Partner wären. Es war also kein Wunder, dass ich Single war, denn meine bisherigen Dates hatten alle einen fürchterlichen Geruch an sich gehabt. Luc hingegen schien einen unglaublich prickelnden Duft abzusondern und wäre demnach die einwandfreie Wahl. Hochrot angelaufen stand ich auf und ging wieder aus dem Zimmer. Unten, im Wohnraum, winkte mich auch schon Barbara zu sich.
„Und wie gefällt es dir?“
„Wirklich schön hier“, erwiderte ich und dachte dabei an ihren Sohn.
„Freut mich.“
Wir begannen, den Schrank aufzubauen, und sie erzählte mir ein wenig über ihr Leben. Irgendwann kam sie dann auf Luc zu sprechen. „Ich bin echt so froh, dass ihr euch angefreundet habt.“
„Ich auch“, stimmte ich ihr leicht verliebt zu.
„Luc hat keine Freunde“, behauptete sie allen Ernstes.
Irgendwie war ich außerstande, mir das vorzustellen. „Nicht einen?“
„Nein“, sie hielt kurz inne. „Weißt du, nachdem seine Freundin mit ihm Schluss gemacht hat …“
„Freundin?“, fiel ich ihr geschockt ins Wort.
„Ja, es war eine fürchterliche Sache. Sie machte ihm eine Szene und redete überall schlecht über ihn. Er verlor ziemlich schnell seine Kontakte. Dieser Tapetenwechsel tut ihm, glaube ich, ganz gut.“
„Ja, wahrscheinlich.“ Ich hatte ja schon geahnt, dass Luc nicht schwul war, doch es gesagt zu bekommen, war trotzdem wie ein Schlag ins Gesicht. Natürlich versuchte ich, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, doch ehrlich gesagt, war ich mehr als nur froh, als der Schrank endlich stand und ich zurück in meine eigenen vier Wände gehen konnte. Geknickt ließ ich mich auf meine Couch fallen.
„Scheiß Liebe!“, jammerte ich. Trotzdem wollte ich keinen auf beleidigt machen, schließlich war Luc ein echt Lieber und hatte wie ich keine Freunde. Allerdings war ich mir sicher, dass er schnell welche finden würde. Das sollte mich jedenfalls nicht davon abhalten, viel Zeit mit ihm zu verbringen, und das tat ich dann auch. Täglich brachte ich den Müll raus, egal, ob es viel oder wenig war. Hatte ich mal keinen, so stopfte ich einfach Papier in eine Tüte, und das nur, um an dem Gartentörchen vorbeizukommen, um von Luc oder Barbara gesehen zu werden. Meistens klappte es, und sie winkten mich dann zu sich. Ich setzte mich zu ihnen an den Tisch, und wir laberten über alles Mögliche, nur nicht über das Thema Schwulsein – warum auch immer. Wir bauten sogar einen Swimmingpool auf, in den ich mich allerdings nie hineintraute. Luc und seine kleine Schwester planschten täglich darin, während ich mich mit Barbara unterhielt. Manchmal warf mir Luc merkwürdige Blicke zu, die mich mehr als durcheinanderbrachten. Verheimlichte er mir etwas? Wenn ja, was war es?
***
Nach knapp zwei Wochen schlug Luc einen DVD-Abend vor. Spätabends kam er, bekleidet mit einer kurzen Sommerhose, einem engen schwarzen Top und – wie sollte es auch anders sein – weißen Socken in meine Wohnung. Ich dimmte das Licht, und wir machten es uns auf meiner Schlafcouch gemütlich. Es war ein seltsames Gefühl, so nah neben jemandem zu sitzen, bei dem man nie eine Chance haben
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