Sommergayflüster
Lichtspiele auf seiner Haut. Ohne es verhindern zu können, lugte ich zu dem offenen Hemd. Glatte Haut war zu erkennen, keine Haare. Dafür hatte Viktor Brustmuskeln. Ich begann nervös auf meiner Unterlippe herumzukauen.
„Also?“
„Hm?“ Ich riss mich von ihm los und blickte in sein Gesicht.
„Was haben Sie morgen vor?“
„Ein wenig reiten“, murmelte ich und stierte nun auf die nackten Oberarme. Der Kerl hatte Muskeln wie ein Athlet. Unbewusst ließ ich die Kinnlade fallen.
„Sind Sie schon mal geritten?“, fragte Viktor, ohne auf meine Musterung zu reagieren.
„Natürlich. Schon oft!“ Ich schmunzelte. Selbstverständlich dachte ich dabei nicht an Pferde.
„Dann bin ich aber gespannt, wie gut Sie sind.“
„Es hat sich noch nie jemand darüber beschwert.“
„Wie bitte?“ Viktor sah mich mit großen Augen an. Seine Hand mit der Zigarette, die er gerade an den Mund hatte führen wollen, war in der Bewegung erstarrt. Er hatte begriffen, dass ich nicht von Vierbeinern sprach.
„Pferde, mein ich. Es hat sich noch nie ein Pferd beschwert.“ Ich versuchte zu lächeln, um die Situation zu retten. Unruhig drückte ich die Zigarette im Aschenbecher aus und steckte mir die nächste an.
Viktor beobachtete mich skeptisch. Nur seine Hand hatte sich wieder in Bewegung gesetzt. Nachdenklich zog er das Nikotin ein.
„Pferde beschweren sich auch nicht“, sprach er langsam und beäugte mich. „Sie ertragen jeden auch noch so schlechten Reiter, der sich auf ihren Rücken begibt.“ Seine Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen.
„Ich bin gut“, beharrte ich und schmunzelte, doch Viktor schnaubte laut auf. Er ließ sich in seinen Sessel zurückfallen, streckte einen seiner Arme auf der Rückenlehne aus und führte die andere Hand zum Mund. Viel zu langsam zog er abermals an seiner Zigarette.
„Sie wissen es, oder?“, fragte er mit versteinerter Miene.
„Was weiß ich?“
„Dass ich schwul bin. Deshalb diese ständigen zweideutigen Sätze. Ihr Städter habt wohl nichts anderes zu tun, als aufs Land zu fahren, um euch über mich lustig zu machen. Aber nicht mit mir, Freundchen. Ich habe zu lang und zu hart gekämpft, um mir in diesem verfluchten Nest Respekt zu verschaffen.“ Viktor lehnte sich wieder vor und sah mich böse an. Er wirkte wie ein riesiger Koloss, der mich gleich in den Boden stampfen wollte. Reflexartig wurde ich auf meinem Stuhl kleiner.
„Ähm“, stotterte ich nervös. „Ich glaube, Sie haben da etwas falsch verstanden. Ich … ich habe kein Problem mit Schwulen.“
„Nein? Warum dann diese blöden doppeldeutigen Bemerkungen?“
„Weil …“ Ich schluckte. Scheiße. „Tut mir leid. Hören Sie, ich bin müde und ja, Sie haben recht, ich habe keine Ahnung, was ich mit meinem Urlaub anfangen soll. Aber Sie irren sich, wenn Sie mir unterstellen, dass ich ein Problem mit Schwulen hätte. Ganz im Gegenteil. Ich steh selbst auf Männer.“
Viktor zog die Brauen zusammen und musterte mich erneut. „Wollten Sie mich dann etwa anmachen?“ Verblüfft riss er den Mund auf.
„Ich? Nein, ich … ich weiß auch nicht, was ich will. Ich sagte doch, mein Körper schreit nach Beschäftigung. Am liebsten würde ich nach Hause fahren und meine Arbeit aufnehmen.“
„Verstehe.“ Viktor zog an seiner Marlboro, ohne mich aus den Augen zu lassen, bevor er breit grinste. „Machen Sie sich keine Sorgen, ich werde sie morgen so sehr beschäftigen, dass Sie überhaupt nicht mehr an die Arbeit denken.“ Damit drückte er den Zigarettenstumpf aus und erhob sich. „Gute Nacht wünsche ich Ihnen. Träumen Sie was Schönes. Wir haben hier viele Hengste, die Sie sich alle gerne ansehen können.“ Er zwinkerte und verschwand durch die Hintertür.
„Gute Nacht“, stammelte ich verwirrt und blickte Viktor hinterher. Hatte mich der Kerl gerade angemacht? Oder was sollte der Satz mit den Hengsten?
Und überhaupt? Seit wann wurde ich angemacht? Normalerweise war das meine Aufgabe. Ich suchte mir meine potenziellen Bettpartner aus. Ich flirtete! Erst dann durfte der Auserwählte zurückflirten. Und erst dann!
***
„Schönes Tier“, sprach ich und streichelte über das helle Fell.
„Nicht wahr?“ Viktor klopfte dem Schimmel auf die Flanken und griff nach der Bürste. Er bückte sich und präsentierte mir seinen Arsch wie auf dem Silbertablett. Augenblicklich begann mein Körper zu kribbeln. In meinen Fingern juckte es. Ich wollte ihn anfassen, meine Hände langsam über
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