Sommergayflüster
Preuer?“
Ich machte mich von meinen Gedanken los und stierte auf den Landwirt. „Verzeihung, was sagten Sie?“
„Ich wollte wissen, ob ich Ihnen mit dem Gepäck helfen kann?“
„Oh, das wäre nett.“ Stumm ermahnte ich mich, mich endlich wie ein zivilisierter Mann zu benehmen. „Andererseits … ich denke, ich möchte noch ein wenig die Landschaft genießen, bevor ich auf mein Zimmer gehe.“
Keine Ahnung, warum ich das gesagt hatte. Eigentlich war ich von der Fahrt tatsächlich müde. Ein kurzes Nickerchen hätte nicht geschadet. Auch meine flatterhaften Gedanken wären damit wieder zur Ruhe gekommen.
„Ja?“ Viktor beäugte mich misstrauisch. Er schien mir die Worte nicht abzukaufen. Wie sollte er auch?
Ich stand im schwarzen Armani-Anzug mit weißem Hemd und dunkler Krawatte vor ihm. An meinen Füßen waren teure, italienische Lackschuhe. Wahrscheinlich stellte er sich vor, wie man mich in frischem Pferdemist wälzte.
„Wollen Sie sich nicht vielleicht vorher umziehen?“, fragte er auch schon und blinzelte, weil die Sonne ihn blendete.
„Umziehen, ja. Aber danach“, sagte ich und lief zum Wagen. Hastig nahm ich meinen Rollkoffer – natürlich Rollkoffer, ich kam ja aus der Stadt, wo man damit auch fahren konnte – heraus und verschloss das Auto.
Viktor beobachtete mich fasziniert, wie ich den Griff des Trolleys auszog und damit über die Kieselauffahrt holperte.
„Nun geben Sie schon her!“, meinte er, riss mir das Gepäck aus der Hand und trug es ohne mit der Wimper zu zucken über den Hof.
Verstohlen starrte ich auf seinen Unterarm, dessen Muskeln sich durch das Gewicht deutlich abzeichneten, und biss mir genießerisch auf die Lippen. Ohne es zu wollen, flogen meine Augen über seinen Körper, blieben an den schmalen Hüften und dem einladenden Po, der in einer hellblauen Jeans steckte, haften.
Knackig, das musste ich zugeben. Andererseits …
Mann, der Kerl war Landwirt, ein Pferdebauer! Vermutlich stank er auch noch nach Mist, nachdem er sich mehrmals geduscht hatte!
Und er war blond!
Okay, er war auch breitschultrig, braun gebrannt und groß, und … nein, er war blond! Auf blonde Männer stand ich nicht. Niemals!
***
„Kann ich Ihnen helfen? Suchen Sie etwas?“
Ich drehte mich um und blickte in das Gesicht Viktors, der hinter der verwachsenen Ecke an einem rustikalen Tisch saß. Nur eine winzige Lampe war rechts neben ihm an der Wand beleuchtet, die seltsame Schattierungen auf seine Wangen warf.
„Nein, ich …“, stotterte ich, weil ich seit einer halben Stunde über den Hof lief, ohne ein Ziel vor Augen zu haben. „Ich wollte mich nur umsehen.“ Ich fühlte mich so unruhig, so unnütz … Ich war es nicht gewohnt, nichts zu tun. Dass ich nun um das Haus gelatscht war, um mir heimlich eine Zigarette anzustecken, weil auf dem Hof Rauchverbot bestand, konnte ich Viktor schlecht sagen.
„Wollen Sie sich setzen?“, fragte mich Viktor und wies auf einen Klappstuhl.
„Gerne“, log ich. In Wirklichkeit wollte ich so schnell wie möglich wieder weg. Langsam zog ich den Stuhl zu mir und setzte mich. Mein Blick fiel dabei auf den Tisch, wo ein voller Aschenbecher stand. Daneben lag eine Packung Marlboro.
Aha, Viktor rauchte also selbst.
„Darf ich?“, fragte ich und zog meine eigene aus der Hosentasche.
„Am Hof ist Rauchverbot.“
„Das sehe ich!“ Ich linste auf die Schachtel und den vollen Aschenbecher.
Viktor grinste und schob mir diesen näher. „Aber kein Wort zu den anderen Gästen. Sonst rauchen die neben Stroh und Heu.“
„Versprochen“, murmelte ich und fummelte an meinem Feuerzeug. Ich musste wie ein Nikotinsüchtiger wirken. Aber meine Nerven lagen blank. Ich wusste nicht, was ich mit der freien Zeit anfangen sollte.
„Der erste Urlaub seit Langem?“ Viktor griff nach seinen Zigaretten.
„Ja“, antwortete ich erstaunt. „Woher wissen Sie das?“
„Sie sind nicht der erste Workaholic, der hier auftaucht und nicht weiß, was er in seinem Urlaub anstellen soll.“
„Ich weiß sehr wohl, was ich machen soll“, giftete ich.
„Ach ja?“, Viktor lachte laut. Sein Mund wirkte überdimensional. Sofort sah ich ihn vor mir knien. Hastig blickte ich weg.
Mann, der blöde Landwirt war blond! Blond! Blond! Blond! Warum registrierte mein Gehirn das nicht?
„Haben Sie sich schon entschieden, was sie morgen machen wollen?“, wechselte Viktor das Thema und zündete die kleinen Windlichter am Tisch an. Es bildeten sich einzelne
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