Sommergayflüster
Anfang Jamiels Berührungen ersehnt hatte. Endlich konnte er den begehrenswerten Körper berühren. Seine Hände zitterten merklich, als er das Sonnenschutzmittel auf seine Hand spritzte und es zwischen seinen Handflächen verrieb.
Es war noch schöner, noch erregender, als er es sich vorgestellt hatte. Das Gefühl von Jamiels Körper unter seinen Fingern, die Wärme der weichen Haut, unter der sich deutlich spürbare Muskeln verbargen, übertraf seine kühnsten Erwartungen. Langsam wanderten seine Handflächen über Jamiels Rücken, und ihm war klar, dass es ihm nicht um das gleichmäßige Verteilen der Creme ging. Er wollte vielmehr jede Stelle, jeden Quadratmillimeter fühlen, beinahe gierig erkunden. Er wechselte zu Jamiels Beinen und vermied es, zu weit zwischen die Oberschenkel zu geraten. Zu gerne hätte er auch diesen Bereich ertastet, aber trotz seiner Erregung und seiner Begierde wollte er nicht zu weit gehen.
Jetzt war Jamiels Vorderseite an der Reihe.
Jamiel drehte sich um und verschränkte seine Hände hinter dem Kopf. Mit geschlossenen Augen wartete er, dass Alex fortfuhr.
Abermals gab Alex etwas von dem Sonnenschutz auf seine Handflächen, verrieb ihn und begann, Jamiels Oberkörper damit einzureiben. Er hatte sich leicht über ihn gebeugt, und seine Hände wanderten sanft um Jamiels Hals, über seine Brust und dann hinunter bis zum Ansatz der Badehose. Während der ganzen Zeit verharrte sein Blick auf dem Gesicht des vor ihm liegenden Jungen, vielmehr, er hing an dessen Lippen, die leicht geöffnet waren. Er merkte dabei nicht einmal, wie er sich langsam immer tiefer hinabbewegte. Schon konnte er den sanften Lufthauch von Jamiels Atem auf seinen Lippen spüren, und schließlich passierte es.
Als ihre Münder sich zu einem flüchtigen Kuss trafen und sie sich berührten, war Alex selbst so erschrocken, dass er sich blitzschnell wieder zurückzog.
Auch Jamiel reagierte geschockt. Er riss die Augen auf, und wie von einem Instinkt getrieben, stieß er Alex von sich weg. „Hey! Was soll das? Spinnst du?“
Jamiel sprang auf und starrte Alex fassungslos an. Seine Stimme klang wutentbrannt.
„Jamiel! Es tut mir leid. Ich ...“ Alex fand keine Worte, mit denen er sein Handeln hätte erklären können. Der Kuss kam auch für ihn völlig unerwartet, und er ärgerte sich, dass er sich nicht besser unter Kontrolle gehabt hatte. Das hätte nicht passieren dürfen.
„Denkst du etwa, ich bin eine Schwuchtel und habe was mit Typen?“ Merklich aufgebracht, lief Jamiel im Kreis herum und war fassungslos über das Geschehene. „Oder glaubst du etwa, mit deinem Reichtum kannst du dir alles nehmen, was du willst? Ich dachte, du bist an einer Freundschaft interessiert, aber anscheinend hast du mir nur etwas vorgespielt, um mich anzumachen!“
Alex stand auf. „Jamiel, hör mal, es tut mir leid. Ich wollte das nicht. Ich weiß auch nicht, was über mich gekommen ist. Bitte entschuldige.“ Nach einer Pause fügte er hinzu: „Und ja, ich bin an einer Freundschaft interessiert, ehrlich.“
Jamiel machte eine abfällige Handbewegung. „Erzähl mir keine Geschichten. Wenn es das ist, was du unter Freundschaft verstehst, dann: nein, danke! Deswegen hattest du auch eben einen Ständer! Ich bin nicht so! Ich bin keine Schwuchtel! Komm mir nie wieder zu nahe!“
Alex fühlte sich hundeelend. Was hatte er nur getan?
Der Kuss hatte nicht mal eine Sekunde gedauert, war eigentlich gar kein richtiger Kuss gewesen, und doch hatte er mit dieser flüchtigen Berührung alles kaputtgemacht.
„Ich will zurück in die Stadt“, presste Jamiel heraus. „Fährst du mich oder soll ich per Anhalter fahren?“
„Natürlich fahre ich dich“, entgegnete Alex. So hatte er sich diesen Tag nicht vorgestellt.
Wortlos packten sie ihre Sachen und machten sich auf den Weg zurück zum Auto. Die Fahrt verlief schweigend. Jamiel hatte seine Wut ausreichend zum Ausdruck gebracht, und Alex fehlten einfach die Worte, die die Situation noch irgendwie hätten retten können.
Als sie an einer Ampel unweit von Jamiels Wohnort hielten, riss dieser die Wagentür auf, sprang hinaus und lief ohne ein weiteres Wort davon. Alex machte erst gar nicht den Versuch, ihm nachzulaufen oder etwas hinterherzurufen. Er wusste, dass das keinen Sinn gehabt hätte. Er war mit seinem Verhalten zu weit gegangen. Ihm war klar, dass Jamiel sich erst wieder beruhigen musste, bevor auch nur die leiseste Chance auf ein Gespräch zwischen ihnen bestand.
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