Sommergayflüster
erklären, was er hatte. Er hatte mir gestern einen geblasen und jetzt tat er so, als wäre das nie passiert und ich würde mich unerlaubt an ihn ranmachen? War er noch ganz dicht?
„Was ist dir denn über die Leber gelaufen?“, zischte ich und strich mir verlegen durch meine Haare. Normalerweise bekam ich immer, was ich wollte. Und wenn ich es ein zweites Mal wollte, dann ohnehin. Doch Viktor spielte nach eigenen Regeln. Das hatte ich schon am ersten Tag bemerkt.
„Was mir über die Leber gelaufen ist?“, knurrte er und warf die Mistgabel ins Heu. „Das fragst du noch, du beschissener Mistkerl?“
Ich keuchte laut. So hatte mich noch nie jemand bezeichnet. Zumindest nicht in meiner Anwesenheit.
„Spinnst du?“, rief ich und baute mich vor ihm auf. Natürlich wirkte ich lächerlich, weil Viktor viel größer war als ich – selbst wenn ich mich auf Zehenspitzen gestellt hätte.
„Was?“, schrie er nun und stemmte die Hände in die Seiten. „Verzieh dich bloß und lass mich in Ruhe! Geh zu den anderen Gästen und nimm Reitstunden. Schließlich hast du dafür bezahlt.“
Ich öffnete verwirrt den Mund und starrte ihn an. Der Kerl tickte doch nicht richtig. Verdammter blonder Bauer!
„Ich würde aber viel lieber eine Privatstunde erhalten“, versuchte ich noch einmal mein Glück und griff Viktor abermals zwischen die Beine, doch der stieß mich erneut von sich.
„Vergiss es!“, grölte er. „Ich bin doch nicht dein Idiot, der dir nach Belieben dient. Das gestern war ein großer Fehler, und ich entschuldige mich dafür. Das hätte nicht passieren dürfen.“
„Hey, du brauchst dich nicht zu entschuldigen“, entgegnete ich ahnungslos, weil ich dachte, er würde sich Gewissensbisse darüber machen, dass er es mit einem Gast getrieben hatte. Doch in Wirklichkeit wehte der Wind aus einer ganz anderen Richtung. Unvermittelt trat ich wieder näher und legte meine Hände um seine Mitte.
„Du scheinst es nicht zu begreifen“, knurrte er und löste mich grob von sich. „Sieh zu, dass du hier wegkommst. Ich lasse mich nicht zum Narren halten.“ Er packte mich am Handgelenk, schleifte mich aus der Scheune und stieß mich nach draußen. Sekunden später zog er die hölzerne Tür vor und schloss mich aus.
Das war eindeutig gewesen. Mann, der verdammte blonde Landwirt hatte vermutlich gerade seine Tage! Gereizt drehte ich mich um und lief zu dem Putzplatz, wo sich Urlauber einweisen ließen, ein Pferd richtig zu besteigen.
„Wollen Sie noch mitmachen?“, rief mir einer der Reitlehrer zu und griff nach den Zügeln eines braunen Pferdes, das noch nicht von einem der Feriengäste belegt war.
„Ja, sieht wohl so aus“, gab ich zurück und nahm die Zügel in die Hand.
„Schon mal geritten?“, fragte der Typ und lächelte mich freundlich an.
„Als ich noch jünger war.“ Vielleicht hätte ich dem Kerl sagen sollen, dass ich nur einmal auf einem Pferd gesessen hatte. Aber damit hätte ich zugeben müssen, keine Ahnung vom Reiten zu haben. Und im Moment genügte mir Viktors miese Laune. Ich musste mich nicht noch selbst kleiner machen, als ich war. Außerdem konnte so ein wenig Gehopse ja nicht allzu schwer sein.
„Gut, reiten verlernt man nie. Dann wissen Sie Bescheid“, gab mir der Reitlehrer als Antwort und marschierte zu den anderen Gästen, die offen zugegeben hatten, keine Ahnung zu haben.
Ich trat an das Pferd heran, doch es wich sofort von mir, als ich meinen Fuß in den Steigbügel setzte. Wütend zerrte ich an den Zügeln und zwang dem Tier meine Herrschaft auf. Viktor brauchte nicht zu denken, dass er mich zum Narren halten konnte. Aggressiv riss ich an dem Tier und schwang mich in den Sattel.
„Steh doch, du verdammtes Vieh“, rief ich. Doch das Pferd stieg unruhig umher, bis ich die Geduld verlor und meine Gerte auf dessen Hinterteil klatschte. Sofort wieherte es und bäumte sich auf. Sekunden später ging es durch und buckelte mit mir auf dem Rücken durch die Gegend.
Der Reitlehrer und die anderen Feriengäste starrten erschrocken auf mich. Die Kinder begannen laut zu schreien. Aus meinen Augenwinkeln konnte ich Viktor erkennen, der aus der Scheune getreten war.
„Du Idiot!“, rief er. „Gib ihm mehr Zügel und beruhige es. Knall nicht mit deiner Gerte herum!“
Doch ich holte erneut aus. Keine Ahnung, warum ich es tat. Normalerweise mochte ich es nicht, wenn jemand Tiere schlug, doch Viktors Verhalten ging mir kräftig auf die Nerven. Außerdem wollte ich mir nicht die
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