Sommergeheimnisse 04 - Kurzschluss
nicht, wir haben Juli.“
„Andererseits könnte ich die fünf Stunden damit verbringen, den schnuckeligen Typ zu verführen, der letzte Woche einen Termin bei ‚Quinlans‘ hatte.“
„Das klingt vielversprechend.“
„Und macht bestimmt mehr Spaß.“ Chickie schmunzelte. „Ich wickle ihn um den kleinen Finger. Also, bis morgen.“
„Ja. Viel Glück.“ Als Chickie in ihrem scharlachroten Rock gut gelaunt das Büro verließ, war Elizabeth schon wieder in die Arbeit vertieft. Die Skizze war fast fertig und stellte Elizabeths Talent unter Beweis. Sie gab bei jedem Entwurf das Beste, aber dieser sollte absolut perfekt werden, nicht nur zum Nutzen ihrer Karriere, sondern weil das wundervolle alte Haus es verdiente.
Schließlich verkrampften sich ihre Finger, und sie legte den Stiftkurz weg. Gleichzeitig merkte sie, dass ihr Nacken schmerzte. Das passierte normalerweise erst, wenn sie mehrere Stunden lang über einer Zeichnung gesessen hatte. Ganz in Gedanken lockerte sie die Schultern und griff wieder nach dem Stift, als ihr plötzlich klar wurde, was das ungute Gefühl bedeutete. Sie seufzte verärgert, als sie feststellte, dass es siebzehn Uhr zwanzig war, viel später, als sie beabsichtigt hatte. Jetzt würde sie genau in den Feierabendverkehr kommen, den sie eigentlich hatte vermeiden wollen – wegen all der aufgrund der Hitze gereizten, aggressiven Fahrer.
Elizabeth stand auf und streckte sich, dann griff sie nach ihrer Handtasche und schaltete die Lampen aus. Die grelle Nachmittagssonne war wegen des Hochhauses in unmittelbarer Nähe nicht zu sehen, trotzdem drang noch genügend Licht durch die getönten Fensterscheiben. Als Elizabeth in den Flur trat und sich umdrehte, um ihre Tür abzuschließen, verließ auch Tom Quinlan gerade sein Büro und schloss ebenfalls ab. Elizabeth vermied es, ihn anzusehen, aber sie spürte seinen Blick und versteifte sich unwillkürlich. Quinlan brachte sie immer aus der Ruhe. Das war einer der Gründe, warum sie nicht mehr mit ihm ausgegangen war, wenn auch nicht der wichtigste.
Elizabeth konnte den Verdacht nicht loswerden, dass Tom Quinlan auf sie gewartet hatte. Sie blickte sich unbehaglich um, aber niemand sonst war zu sehen. Normalerweise war das Gebäude zu dieser Zeit voller Menschen, die sich nach Dienstschluss auf den Heimweg machten. Heute herrschte ungewohnte Stille. Bestimmt sind wir nicht die Einzigen, die hier sind, versuchte Elizabeth sich einzureden. Doch ihr gesunder Menschenverstand sagte ihr, dass es exakt so war, dass alle anderen vernünftigerweise früher nach Hause gegangen waren. Sie würde nichts Ablenkendes zwischen sich und Quinlan haben.
Er holte sie auf dem Weg zu den Aufzügen ein. „Sagst du nicht mal mehr Hallo zu mir?“
„Hallo.“
„Du hast lange gearbeitet. Alle anderen sind vor Stunden gegangen.“
„Du nicht.“
„Nein.“ Er wechselte abrupt das Thema. „Geh mit mir essen.“ Das klang mehr wie ein Befehl und weniger wie eine Einladung.
„Nein, danke“, antwortete Elizabeth kurz angebunden. Dann standen sie vor den Aufzügen. Sie drückte auf den Knopf und betete insgeheim,dass der Aufzug schnell kommen möge. Je eher sie von diesem Mann wegkam, desto sicherer würde sie sich fühlen.
„Warum nicht?“
„Weil ich nicht will.“
Ein leises Geräusch signalisierte die Ankunft der Kabine, die Türen öffneten sich, und Elizabeth trat ein. Quinlan folgte ihr, die Türen schlossen sich und sperrten sie auf engstem Raum zusammen. Elizabeth wollte den Knopf zum Foyer drücken, aber Quinlan ergriff ihre Hand und drängte sich zwischen sie und die Schalttafel.
„Du willst, du hast nur Angst.“
Elizabeth dachte einen Moment über seine Behauptung nach, dann straffte sie die Schultern und hielt seinem grimmigen Blick stand. „Du hast Recht. Ich habe Angst. Und ich gehe nicht mit Männern aus, die mich erschrecken.“
Die Antwort gefiel ihm gar nicht, dabei hatte er selbst das Thema angeschnitten. „Hast du Angst, dass ich dich verletzen könnte?“, fragte er zweifelnd.
„Natürlich nicht!“, höhnte sie, und sein Gesichtsausdruck entspannte sich. Elizabeth wusste, dass ihre Antwort nicht ganz der Wahrheit entsprach, aber das war ihre Sache, nicht seine, auch wenn er das nicht begreifen wollte. Schnell entzog sie ihm ihre Hand. „Aber du würdest mein Leben furchtbar kompliziert machen, und ich habe keine Zeit für solche Komplikationen. Ich fürchte, dass du meinen Terminkalender total durcheinanderbringen
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