Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Gewohnheit abends oft das Bett damit warm fönte und den Fön deshalb immer mit aufs Zimmer nahm. Während Olli so vor dem Badezimmerschrank hockte, eine Schublade nach der anderen aufzog und das Fehlen des Föns registrierte, kassierte der Oberamtsrat aus heiterem Himmel einen heftigen Nackenschlag: Eine Vierliterflasche Waschmittel, die irgendein Vollidiot in kippelnder Position auf dem Schrank abgestellt hatte – ja doch, als Vollidiot bezeichnete auch ich in solchen Momenten diese unbekannten Übeltäter –, war durch das Ruckeln an den Schubladen herabgefallen. Olli machte sich auf den Weg in den ersten Stock, um den Fön zu holen. Als er zurückkehrte, war das Badezimmer besetzt und blieb es auch für eine halbe Stunde. Ähnliche Irrfahrten, dann über das ganze Gelände inklusive Scheune, konnte übrigens erleben, wer auf der Suche nach bestimmten Werkzeugen war.
Noch so ein Badezimmerthema waren die absurden Shampoosorten, die Konrad und Andine von ihren Besorgungsfahrten in den nahe gelegenen polnischen Supermarkt gleich hinter der Grenze mitbrachten. Das Aufbewahrungsgitter, das an den Duscharmaturen hing, war knallvoll mit allen möglichen Shampooflaschen, deren polnische Beschriftung keinen verwertbaren Hinweis auf bekannte Inhaltsstoffe gab. Wie die Grundschüler überboten Olli und ich uns damit, Fantasie-Shampoosorten auszudenken, um dem anderen etwas von dem Ekelgefühl zu vermitteln, das uns beim Haarewaschen manchmal befiel.
»Ich glaube, ich hatte neulich Aloe-Vera-Frittenfett.«
»Das geht ja noch. Meins muss Bauarbeiterschnotten-Passionsfrucht oder so was gewesen sein.«
Oft und ausschweifend erzählten Olli und ich uns von unseren kleineren Arbeitseinsätzen, die ebenfalls Leidensfähigkeit erforderten. In den düstersten Farben, so, als ginge es um ein sowjetisches Arbeitslager, erzählte ich von meiner Handlangertätigkeit als Leiterfesthalter für Niels, der die Dachrinnen säuberte und mir regelmäßig eine Dreck-, Blätter- und Staubdusche verpasste.
Das sei noch gar nichts gegen die Besorgungsfahrt, die Olli und Konrad während des Abwasserrohrinfernos unternommen hatten, um Plastikrohre zu besorgen: Sie mussten die Rohre hinten aus Konrads Auto raushängen lassen und die Kofferraumklappe verschnüren, mit der Konsequenz, dass durch die Luftzirkulation und den Fahrtwind permanent minus zehn Grad kalte Luft ins Auto geleitet wurde und Olli und Konrad bibberten wie die Störche. Aber was waren schon einzelne Arbeitseinsätze gegen die allgemeinen Aufräumarbeiten, die immer ab Sonntagnachmittag auf dem Weidenhof anstanden – die unzähligen Gegenstände wieder einzusammeln, die zehn bis fünfzehn Mitbewohner und soundso viele Besucher über zwei bis drei Tage hinweg auf rund sechstausend Quadratmetern Grundstück und zwei große Gebäude verteilten: persönliche Habseligkeiten, Handys, Geldbörsen, Schlüsselbunde, Werkzeuge, Kaffeetassen, Spielzeuge, Badehosen, Badehandtücher, Schwimmflügel, Windeln, Feuchttücher, Gartengeräte, Schubkarren, Eimer, Bierflaschen, Wasserflaschen, Zeitungen …
»Durchaus denkbar«, orakelte Olli angesichts des tendenziell unaufgeräumten Weidenhofs, »dass wir demnächst hier hinkommen und das ganze Haus liegt in Trümmern. Daneben steht dann so ein Schröderverschnitt mit ’ner Abrissbirne, der sagt: ›Ja wie, ick dachte wa solltn den Schweinestall hia abreißn?‹« Forderungen nach einer Putzfrau waren denn auch in letzter Zeit lauter geworden.
Zurück in der Stadt verkehrte sich unsere Wahrnehmung des Weidenhoflebens meist sehr bald ins Gegenteil, und wir erwiesen uns beide als Meister der romantisierenden Rückschau. Auch das gestanden uns Olli und ich auf der Gartenbank. Sofern uns am städtischen Arbeitsplatz nicht gerade eine Einpeitscher-E-Mail erreichte und die gefürchtete Eskalationsdynamik entfachte, erinnerten wir uns dort vorwiegend an die schönen Momente, erschienen uns rosarote Bilder nicht nur vom Brombeerhaus und dem Grundstück, das inzwischen in der Tat echte Urlaubsatmosphäre bot. Wir erinnerten dann auch die Mitbewohner kaum noch als Badbesetzer und Bettfalschbezieher, sondern als die liebe Maltrin-Mischpoke, die im Übrigen schon ihren ganz eigenen Maltrinjargon entwickelt hatte. »Sonnendeck«, »Pumakäfig« und »Splatterzimmer«, das waren so gängige Ausdrücke für die verschiedenen Schlafgemächer. Überhaupt schwirrte der ganze Weidenhof von Anekdoten, was maßgeblich auf Ollis und mein Wirken zurückging;
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