Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
er platzte zum Gartentor herein, wenn wir gerade das Essen aufgetischt hatten, er klopfte an die Zimmertür, wenn Olli und Jana gerade Morgensex hatten. Aus den fadenscheinigsten Gründen kam Wolle zu uns herüber – eigentlich, weil er einsam war. Ausschweifend klagte Wolle uns im gewohnten Motzmodus sein Leid von dem täglichen Hickhack oder hielt uns, wenn er mal wieder »weniger jut druff« war, Standpauken über unsere fehlerhafte Mülltrennung und unsere falsch geparkten Autos an der Dorfstraße. Meist aber war er »eijentlich janz jut druff« und wollte gar nicht wieder gehen. Wenn Schröder eins konnte, dann war das: bleiben.
Teils wiesen wir Wolle in seine Schranken, teils nahmen wir seine Grenzüberschreitungen billigend in Kauf, leistete er uns doch ungebrochen wertvolle Soforthilfe in allen praktischen Belangen. Weil er ohnehin so oft kam, betrauten wir ihn mit ein paar Hausmeisteraufgaben. Schröder übernahm die Rolle des Majordomus, der die Mülltonnen rausstellte und ab und zu nach der Heizung guckte. »Ditt euch die Rohre nich einfriern, wennet im Winter ma wieda zehn Grad miese jibt«, wie er sagte. Das bekam er neben seiner Aufpassertätigkeit bei Plietsch noch ganz gut hin. »Tot mach ick mia ja hia nich«, sagte er immer. So war und blieb Wolle unser handwerkliches Über-Ich von nebenan. Auf dem Nachbargrundstück residierte Schröder im Tabbert, seinem Wohnwagen, nicht etwa auf der dem See zugewandten Seite, sondern auf dem Betonplattenvorplatz zur schmucklosen Straßenseite hin. Meinen Hinweis, dass es jenseits der Scheune von Bauer Plietsch doch viel idyllischer wäre – man hatte von dort den schönsten See direkt vor der Nase –, schmetterte er unwirsch ab: »Idyllisch, idyllisch, watt soll dittn heißn?« Dass Schröder dem Badevergnügen aber nicht grundsätzlich abhold war, zeigte sich, als er neben seinem Vorzelt den kleinsten im Baumarkt erhältlichen Swimmingpool aufstellte, ein größeres Planschbecken mit Einstiegsleiter. Immerhin das. »Den Luxus jönnick mia«, erklärte er.
Aber unsere Blicke fielen nicht nur auf Schröders Hinterbühne. Lieber noch servierten wir uns gegenseitig jene Storys, die sich auf den Hinterbühnen unserer Mitbewohner zutrugen. Dort, wo durch professionelle Masken mitunter eine herzerweichende Kindlichkeit zum Vorschein kam. Denn diese Geschichten machten auch brüllende Baulöwen gleich wieder viel sympathischer. Auf dieser Hinterbühne versagte Konrad als angehender Professor für Volkswirtschaftslehre mit Pauken und Trompeten, wenn es um popkulturelles Allgemeingut ging – und prägte dabei Sätze, die noch lange nachhallten: »Seed, ist das nicht der Freund von Claudia Fischer?« Überhaupt war Lord Cord ein zuverlässiger Anekdoten-Rohstofflieferant.
Gerne wärmte ich mit Olli immer mal wieder jene Geschichte auf, die davon handelte, wie Lord Cord einmal versucht hatte, eine Sauna in unserem Haus zu bauen. Oder treffender gesagt: eine Sauna zu erpfuschen. Konrad weilte alleine in Maltrin, um seiner Doktorarbeit den letzten Schliff zu geben, wieder einmal. Während er so den eisernen Küchenofen heizte, damit er es beim Schreiben auch schön mollig hatte, wurde ihm erstmals so richtig bewusst, wie ausgesprochen heiß dieser schöne alte gusseiserne Küchenofen werden konnte. Da hatte er eine Eingebung: Warum erst irgendwann in ferner Zukunft eine Profisauna in die Scheune des Weidenhofs einbauen, wie es bisher geplant war? Warum nicht ein paar Pappelemente in Holzrahmen einspannen und sie einfach um den Küchenofen herumstellen, sodass eine kleine wärmespeichernde Kammer, sprich, eine Sauna entstünde? Eine Sauna to go, sozusagen. Lord Cord fertigte eine Bauzeichnung an und fuhr mit seinem Volvo zum Baumarkt.
Das Ergebnis von einem Dreivierteltag Tüftelarbeit war schließlich eine hochfragile Konstruktion, die beim kleinsten Hauch ins Wanken geriet und immer schon zusammenkrachte, wenn sich unser Landlord ihr mit seinem Saunatuch unterm Arm näherte. Nach zahlreichen Versuchen und Zusammenbrüchen der polnischen Pappsauna wurde Konrad sein eigener Plan peinlich, und er entzündete klammheimlich ein Lagerfeuer, um alle Spuren zu beseitigen. Beinahe wäre ihm dies auch gelungen, hätten nicht Simone und ich uns am selben Nachmittag spontan entschieden, mit den Kindern aufs Land zu fahren. Just im Moment des Abfackelns der Pappsauna traten wir durchs Gartentor.
Oder der Spleen des Scheunentriumvirats Konrad, Fabian und Jörg, die, wenn die
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