Sommerhaus jetzt! - 13 Freunde und der Traum vom Wochenende im Grünen
Gebrauch des Heißwassers im Küchenspülbecken den Regler wieder in den blauen Bereich zurückzudrehen. Unser Heißwasserboiler bereitete ausschließlich sehr kaltes oder aber ausgesprochen heißes, beinahe kochendes Wasser auf. Niemand von uns war in der Lage, ihn umzustellen, und Schröder wegen so einer Lappalie zu fragen, verbot Konrad die Ehre. Deshalb gehörte es zum bösen Maltriner Erwachen, dass man sich gelegentlich die Finger verbrühte, wenn man die Kaffeekanne auswusch.
Andererseits, wenn wir tatsächlich endlich einmal alle saßen, war es auch wieder köstlich, in Fußballmannschaftsstärke zu frühstücken. Wir spielten uns die Bälle nur so zu, und das Tischgespräch erlangte einen beachtlichen Lärmpegel. Oft saßen wir so lange zusammen, bis aus dem Frühstück ein Brunch oder Kaffeeklatsch geworden war. Aber die vielen schönen und lustigen Seiten des Maltriner Leben thematisierten Olli und ich auf unseren morgendlichen Gartenbanksitzungen seltener. Die harten Seiten des Weidenhoflebens boten einfach den größeren Unterhaltungswert – wofür wiederum wir das Weidenhofleben ja auch liebten. Wie Waldorf und Statler, die beiden Opas aus der Muppetshow, saßen wir auf der Gartenbank und kommentierten zwanghaft alles und jeden. Zogen den gesamten Weidenhof und seine Bewohner unablässig durch ein Säurebad der Reflexion, wie Olli es in seinem Soziologensprech nannte. Fraglos waren wir in Wirklichkeit inzwischen völlig vernarrt in das Maltriner Leben: sich jederzeit durch einen Sprung vom Steg erfrischen, mit Blick auf den See im Urwald herumgärtnern oder wortkarg Holz hacken und anschließend zusammen den Grill anschmeißen, all das war ganz nach unserem Gusto. Auch Waldorf und Statler hätten ja nicht in jeder Ausgabe der Muppetshow in der Loge gesessen, hätte ihnen die Show nicht grundsätzlich wahnsinnig gut gefallen. Das Weidenhofleben war großartig, aber es war eben exakt das Gegenteil der ständig auf die eigenen Bedürfnisse hin perfektionierten Häuslichkeit, die sich der Spießeranteil von Ollis und meiner Persönlichkeit manchmal auch wünschte. Und diesen Teil unserer Persönlichkeiten mussten wir mit diesen Gartenbankgedanken wohl besänftigen.
Auf jeden Fall hatten wir zwei allen Grund und reichlich Stoff, um munter weiterzumotzen: darüber, dass der Frühstückstisch oft für viele Stunden nicht wieder abgedeckt wurde; darüber, dass man von den chaosverliebten Mitbewohnern, die das Spießertum scheuten wie der Teufel das Weihwasser, fast schon schräg angesehen wurde, wenn man dabei erwischt wurde, dass man die Küche fegte; darüber, dass zwischen Marmelade, Wurst und Käse im Laufe des Tages alle möglichen anderen Utensilien wie Arbeitshandschuhe, Werkzeuge und Kettensägenöl abgestellt wurden. Und wir lachten darüber – weil ja niemand gezwungen wurde, sich das Öl aufs Brot zu schmieren.
Zu den neuen Überlebensstrategien, die man sich im Weidenhof mit der Zeit besser aneignete, zählte der souveräne Umgang mit der Bettensituation. Wie der ostwestfälische Ordnungsfanatiker Olli mir sein Leid klagte, fand er beim Beziehen der Bettdecke mit einem neuen Leinen nicht selten vier bis fünf übereinandergeschichtete Bezüge auf dem Oberbett, die er, so todmüde wie er auch war, zunächst entfernen musste. »In dieser Milbenkirmes«, sagte er, wollte er nicht schlafen, da ekelte er sich. Unsere hellwache Problemdiagnose war nun die, dass der Vorschläfer in diesem Bett wohl zu faul oder schlichtweg zu müde gewesen war, um vor dem Beziehen des Oberbetts den alten Bezug noch abzunehmen. Wir kannten ja unsere Weidenhofer. Außerdem war auch ich inzwischen dazu übergegangen, gestand ich Olli, das Bettzeug zu nehmen, wie es ist. Und wenn es die Borussia-Dortmund-Bettwäsche aus Steves Jugendtagen war.
»Augen zu und durch«, sagte ich, wofür ich von Olli nur einen entsetzten Blick erntete.
Wenn Olli sich auf der Gartenbank noch eine anzündete oder sich Kaffeenachschub aus der Küche holte und wieder Platz nahm, dann ließ das auf weitere Anekdoten hoffen. Einmal, so behauptete Olli, habe er nachts so lange nach einem Kissen gesucht, dass er sich schließlich in seiner Verzweiflung ein übrig gebliebenes Fladenbrot aus der Küche geholt und in einen Kissenbezug gestopft habe. Oder Olli erzählte, wie er sich vor dem Duschen schon mal den Fön aus der unteren Schublade des Badezimmerschrankes greifen und bereitlegen wollte, diesen dort aber nicht vorfand, weil Andine sich aus
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