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Sommerhaus mit Swimmingpool

Sommerhaus mit Swimmingpool

Titel: Sommerhaus mit Swimmingpool Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herman Koch , Pößneck GGP Media GmbH
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würde hoffen, dass sie glücklich werden.«
    »Marc, ich bitte Sie! Kommen Sie nicht mit solchen Klischees. Deshalb bin ich ja zu Ihnen zurückgekommen, weil Sie nicht mit Ihrer Meinung hinterm Berg halten. Mit Ihren Abneigungen. Aber vielleicht ist Abneigung ein zu großes Wort. Aber Sie verstehen, was ich meine. Habe ich recht oder nicht?«
    Ich lächelte wieder. Diesmal war das Lächeln echt.
    »Na bitte, wusste ich doch! Trotzdem fühle ich mich bei Ihnen wohler als bei den Leuten, die sich so anstrengen, Schwule toll zu finden. Wieso?«
    »Vielleicht finden Sie sie selber nicht so toll«, sagte ich.
    Der Komiker lachte laut, wurde dann aber wieder ernst.
    »Toll ist das Stichwort. Es war für meine Eltern schwierig zu akzeptieren, wie ich bin. Meinen Freund zu akzeptieren. Zu hoffen, wie Sie sagen, dass ich glücklich werde. Aber toll fanden sie es bestimmt nicht. Keiner findet das toll. Oder haben Sie schon mal einen Vater oder eine Mutter über ihren Sohn oder ihre Tochter sagen hören, dass sie es so toll finden? Dass sie so froh und erleichtert sind, dass ihr Sohn oder ihre Tochter gottlob nicht heterosexuell geworden ist? Ich meine, ich bin Komiker, so was kommt natürlich in meinen Sketchen auch vor, sonst könnte ich mich selbst nicht ernst nehmen. Na ja, ernst … Sie verstehen, was ich meine.«
    »Ja«, sagte ich. »Ich verstehe. Was kann ich sonst noch für Sie tun?«
    Er stieß einen tiefen Seufzer aus. »Die Prostata«, sagte er. »Es kommen in letzter Zeit nur ein paar Tropfen raus. Ich dachte … Na ja, Sie wissen schon, was ich dachte.«
    Ich betrachtete den behaarten Hintern des Komikers auf dem Behandlungstisch und musste unwillkürlich an Professor Aaron Herzl denken. »Ich sage es nur ein Mal«, hatte Herzl während einer Vorlesung gesagt, »wenn es Gottes Absicht gewesen wäre, dass ein Mann seinen Penis in jemandes After steckt, dann hätte er für eine größere Öffnung gesorgt. Ich habe ›Gott‹ gesagt, aber ich hätte auch ›die Biologie‹ sagen können. Hinter allem steht eine Idee. Ein Plan. Sachen, die wir nicht essen sollen, stinken oder schmecken widerlich. Der Schmerz hält einen davon ab, sich eine Füllfeder ins Auge zu stecken.« Hierauf hatte Professor Herzl seine Brille abgenommen und eine Minute lang schweigend seinen Blick über die Bänke wandern lassen. »Ich will kein moralisches Urteil fällen, jedem steht es frei zu leben, wie es ihm gefällt, aber ein erigierter Penis, der in den Anus eindringt, tut weh. Nicht! ,sagt der Schmerz. Zieh ihn zurück, bevor es zu spät ist . Der Körper hört im Allgemeinen auf den Schmerz. Das ist die Biologie. Wir springen nicht vom siebten Stock, es sei denn , wir wollen unseren Körper zerstören.«
    Ich erinnerte mich auf einmal sogar an das, was Aaron Herzl anschließend gesagt hatte, und es trieb mir, ich konnte mich nicht dagegen wehren, Tränen in die Augen.
    »Bei einem kleinen Kind ist alles kleiner. Alles. Auch das ist die Biologie. Kleine Mädchen können nicht schwanger werden. In dieser Hinsicht sind sie wie Frauen über vierzig. Hände weg, sagt die Biologie. Es macht biologisch gesehen keinen Sinn, Geschlechtsverkehr mit einem noch nicht geschlechtsreifen Mädchen zu haben. Auch bei ihm ist die Öffnung zu klein. Und da ist das Jungfernhäutchen. Eine der schönsten Erfindungen, die die Biologie uns geschenkt hat. Man möchte fast an die Existenz eines Gottes glauben.« Im Hörsaal brach Gelächter aus. Nur eine kleine Minderheit blieb still. »Ich möchte noch einmal an den steifen Penis erinnern. Das erigierte männliche Glied. Wenn es in eine zu kleine Öffnung einzudringen versucht, ist Schmerz das vorherrschende Gefühl. Nicht! , sagt der Schmerz. Nicht! , sagt wahrscheinlich auch das Mädchen. In unserer Gesellschaft ist es so geregelt, dass Männer, die sich an kleinen Mädchen – oder Jungen – vergehen, eingesperrt werden. Unsere moralische Entrüstung ist in dieser Hinsicht so stark, dass Kinderschänder sogar hinter den Gefängnismauern nicht sicher sind. Einbrecher und Mörder fühlen sich ihnen moralisch überlegen. Und zu Recht. Es ist eine elementare Reaktion. Sie reagieren, wie wir alle reagieren sollten, wie wir alle einmal vor langer Zeit reagiert haben, als die Biologie noch stärker war als das Strafgesetzbuch. Weg! Weg mit diesen Saukerlen! Ausgemerzt gehören sie, diese Missgeburten! «
    Im Hörsaal war es mucksmäuschenstill geworden. Man hätte die sprichwörtliche Stecknadel fallen

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