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Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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war ihm nicht eine Sekunde lang in den Sinn gekommen, sich zu zügeln. Vielmehr hatte er es als eine weitere Aktivität mit einer alten Freundin betrachtet, wie Krebse fangen oder angeln. Dass es ihr viel mehr bedeutet hatte, war ihm nicht bewusst gewesen. Er hätte es nicht zulassen dürfen. Wenn es doch nur nicht so verdammt gut gewesen wäre. Doch in diesem Augenblick wusste er, dass er den nächsten Nachmittag viel lieber mit Daria Krebse fangen würde, als seine Zeit mit Grace zu verbringen.
    “Lass uns doch morgen noch mal telefonieren”, wich er ihr deshalb aus, “und spontan entscheiden, ob es passt.”
    Sie zögerte. “Einverstanden. Aber ich würde wirklich gern kommen.”
    “Wir reden morgen, ja? Und entschuldige noch mal, dass ich dich im Motel versetzt habe.”
    Er legte auf und starrte noch sekundenlang auf den Hörer, ehe er aufstand und zur Haustür ging. Noch eine Frau, bei der er sich am Nachmittag würde entschuldigen müssen.
    Chloe wischte auf den Stufen zur Veranda gerade das Seegras auf, das der Wind ihnen vor die Tür geweht hatte.
    “Bei euch mussten wohl ein paar Fliegengitter dran glauben, was?”, fragte Rory.
    Chloe würdigte ihn kaum eines Blickes. “Ja. Aber das ist zum Glück auch der größte Schaden. Zumindest am Haus.” Sie feuerte einen finsteren Blick auf ihn ab, und er konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass sie von seinem Techtelmechtel mit Daria wusste. Doch vielleicht spielte ihm auch nur seine Fantasie – oder sein schlechtes Gewissen – einen Streich. Vielleicht meinte sie lediglich die Verletzungen, die Andys Nachbarn erlitten hatten. Oder, was noch wahrscheinlicher war, sie spielte auf ihre eigene Verlegenheit an, die sie nach ihrem intimen Geständnis verspürt hatte.
    “Ist Daria da?”, wollte er wissen.
    “Sie ist oben.”
    “Ob es in Ordnung ist, wenn ich raufgehe?”
    “Warum nicht? Ich schätze, es gibt eh nicht mehr viele Geheimnisse zwischen euch, oder?”
    Autsch.
“Chloe …”, fing er an, unsicher, wie er fortfahren sollte.
    Chloe seufzte und stützte sich auf den Besen. “Hör nicht auf mich, Rory. Meine Schwestern verlieren nur gerade den Boden unter den Füßen, und das macht mir Sorgen.”
    “Ich ziehe Daria nicht den Boden weg.”
    “Ach nein? Wie würdest du es denn nennen? Obwohl du an einer anderen interessiert bist, hast du Sex mit einer Frau, die dich aufrichtig liebt, die alles für dich tun würde. Ich will Darias Verhalten nicht entschuldigen, aber wenigstens waren ihre Beweggründe edel. Sie hat es getan, weil sie verrückt nach dir ist.”
    Da er keine Ahnung hatte, was er erwidern sollte, schwieg er und ging einfach an ihr vorbei ins Haus und die Treppe hinauf.
    Die Tür zu Darias Zimmer stand offen. Sie saß im Schneidersitz auf dem Bett und hatte vor sich architektonische Zeichnungen ausgebreitet. Er klopfte an die Tür und sie blickte auf.
    “Hi”, sagte er.
    “Hi.”
    “Ich dachte, ich sehe mal nach, was du machst.”
    Sie biss sich auf die Unterlippe, senkte den Blick auf die Zeichnungen und schob sie mit den Fingerspitzen umher. Er durchquerte den Raum und setzte sich auf die Bettkante. Dann erlöste er ihre Hand von ihrer sinnlosen Tätigkeit und hielt sie fest.
    “Es tut mir leid, Daria”, sagte er. “Ich wollte dich nicht verletzen.”
    “Es war nicht deine Schuld. Ich habe angefangen. Ich hätte es nicht tun dürfen, solange ich nicht bereit war, die Konsequenzen zu ertragen.”
    “Du weißt, dass du mir viel bedeutest, oder?”, fragte er.
    Sie stieß ein ironisches Lachen aus, und ihm wurde klar, dass seine Worte schwach, bedeutungslos und, so fürchtete er, gönnerhaft klangen.
    “Ich wusste nichts von deinen Gefühlen”, fuhr er fort. “Und … es hat mich umgehauen, als du sie mir gestanden hast.” Er wollte ihr noch so viel sagen: dass er Zeit brauchte, um sich über seine Gefühle für sie klar zu werden, um zu begreifen, warum er, würde sie ihn jetzt küssen, alles noch mal genauso machen würde. Doch er wusste, dass es unfair wäre, ihr all das in diesem Moment zu sagen. Er würde damit nur seine Last verringern und ihre erschweren.
    Sie sah ihm offen in die Augen. “Shelly ist schwanger.” Dann brach sie in Tränen aus, zog die Knie an die Brust und vergrub den Kopf zwischen ihren Knien.
    “Oh nein.” Er hätte sie gern an sich gezogen und getröstet, doch genauso war in der vergangenen Nacht alles außer Kontrolle geraten. Und so hielt er einfach nur ihre Hand ein wenig fester.

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