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Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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zugeben muss, dass das pures Glück war. Wenn ich zurückblicke, läuft mir beim Gedanken daran, was ich für ein Mädchen war, ein Schauder über den Rücken. Ich bin gottfroh, dass ich zwei Jungs und keine Mädchen habe. Wären es Mädchen, würde ich sie die nächsten fünf Jahre einschließen.”
    “Ich war auch schon so manches Mal versucht, Zack einzusperren”, gab Rory zu.
    “Wahrscheinlich war es eine Touristin, Rory. Deshalb hat die Polizei auch nie eine Verdächtige gefunden. Obwohl …” Sie zog die Nase kraus und sah auf den Ozean hinaus.
    “Obwohl?”, drängte er.
    “Ich hatte stets einen Verdacht, aber ich scheue mich, es zu sagen. Ich hasse es nämlich, schlecht über andere Frauen zu sprechen. Schließlich weiß ich, wie das ist.”
    Rory beugte sich vor. Cindy hat sich in der Tat kein bisschen verändert, dachte er. Sie ist immer noch ein Plagegeist. “Du kannst nicht so eine Andeutung machen und dann nicht sagen, von wem du sprichst”, sagte er.
    “Ich dachte immer, es war Ellen. Erinnerst du dich noch an Ellen? Die Nichte der Catos?”
    Er nickte.
    “Ich weiß ja nicht, wie gut du dich noch an sie erinnerst, aber sie war immer ziemlich ungezwungen mit Jungs.” Cindy zuckte die Achseln. “Nicht so ungezwungen wie ich, muss ich gestehen, aber trotzdem … Und sie konnte fies sein. Weißt du das noch?”
    Er wusste es sogar noch sehr gut. Immerhin hatte er es erst wenige Wochen zuvor erlebt.
    “Sie hatte etwas Garstiges an sich. Einmal waren mein Onkel und meine Tante zu Besuch bei uns. Sie hatten zwei kleine Kinder, und da mein Bruder und ich unterwegs waren, engagierten sie Ellen als Babysitter. Sie hat eines der Mädchen so böse geschlagen, dass es Blutergüsse am Arm hatte. Ich weiß noch, dass mein Onkel und meine Tante mit Mr. und Mrs. Cato – und vermutlich auch mit Ellens Mutter – darüber gesprochen haben. Und meines Wissens haben sie es dann dabei belassen. Aber von Zeit zu Zeit muss ich noch an diesen Zwischenfall denken. Man kann nicht leugnen, dass Ellen etwas Rohes an sich hatte. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sie einen Säugling am Strand zurücklässt und nicht einen weiteren Gedanken daran verschwendet.”
    Jetzt, nachdem sie es gesagt hatte, erschien es auch ihm nicht ganz abwegig. “Aber Ellen und Shelly haben nicht die geringste Ähnlichkeit”, wandte er ein.
    “Ich habe Shelly nicht mehr gesehen, seit sie ein kleines Mädchen war. Aber ich erinnere mich noch genau, dass sie braune Augen hatte. Sehr helle Haare, aber große braune Augen, wie Ellen.” Auf einmal setzte sich Cindy gerade auf ihren Stuhl und blickte in den Himmel. “Leg nicht zu viel Gewicht auf das, was ich sage, Rory. Vom Kind, das man beim Babysitten schlägt, bis zum Säugling, den man am Strand aussetzt, ist es ein weiter Weg.” Sie wollte zurückrudern, vermutlich weil sie sich jetzt, nach der Äußerung ihres Verdachts, unwohl fühlte. “Ich denke, ich lag mit meinem ersten Tipp richtig. Es ist wahrscheinlicher, dass es eine Touristin war. Wenn du eine Sendung darüber machst, meldet sich die Person vielleicht. Oder ein Bekannter von ihr.”
    “Vielleicht”, stimmte er ihr zu, doch er dachte noch immer über Ellen nach; darüber, wie sie versucht hatte, sich in Shellys Erziehung einzumischen.
    “Wie geht es deiner Schwester?”, wechselte Cindy das Thema. “Polly, richtig? Ich kann mich noch so gut an sie erinnern. Sie war der erste geistig behinderte Mensch, den ich näher kennengelernt habe. Ich mochte sie immer sehr.”
    Ihre Worte berührten ihn. “Sie ist vor ein paar Jahren gestorben”, antwortete er.
    “Oh, das tut mir leid, Rory. Wie ungerecht. Meine deutlichste Erinnerung an dich war immer, wie du dich für sie aufgeopfert hast.”
    “Sie war jemand Besonderes für mich.”
    “Aber das war nicht nur bei Polly so. Du warst immer so nett zu jedem. Erinnerst du dich noch an den Jungen, der keinen einzigen Fisch gefangen hat, und du …”
    “Ja, ja.” Seine Heiligsprechung.
    “Das war ungewöhnlich für einen Jungen in deinem Alter, dass er anderen gegenüber so sensibel ist. Wenn ich hätte voraussagen müssen, was du einmal beruflich machst, hätte ich auf Sozialarbeiter getippt.”
    “Sozialarbeiter?”
    “Ja, überleg doch mal. Das ist es doch, worum es bei 'True Life Stories' geht, oder etwa nicht? Ich habe immer das Gefühl, es bricht dir schier das Herz, wenn du die Geschichten deiner Gäste erzählst. Die Zuschauer denken bestimmt, du spielst das bloß.

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