Sommerkind
Rauschen des Meeres – die Kulisse für Rorys Stimme.
“Ja, ich bin traurig”, sagte er.
“Warum?”
“Als du mich gestern Abend gefragt hast, wann ich nach Kalifornien zurückfahre, habe ich dich abgewürgt. Ich wollte einfach nicht daran denken. Aber ich weiß, dass ich es tun muss.”
“Also … wann?”, fragte Daria, und Shelly wusste, welch große Überwindung es sie kostete, diese Frage über die Lippen zu bringen. “Wann gehst du zurück?”
“Am dritten September. In weniger als zwei Wochen. Zack muss dann wieder zur Schule. Ich könnte mir in den Hintern treten, dass ich so viel Zeit ohne dich verschwendet habe, obwohl wir sie zusammen hätten verbringen können.”
“Das hätte den Abschied auch nicht leichter gemacht.”
“Ich weiß.”
Für ein paar Sekunden sprach keiner von beiden ein Wort, und Shelly konnte das Gekreische der Kinder am Strand hören. Dann ertönte wieder Rorys Stimme.
“Ich glaube zwar, dass ich ziemlich genau weiß, wie du darüber denkst, Daria, aber ich muss es trotzdem aus deinem Mund hören. Ich kann dir nur sagen, dass
ich
nicht möchte, dass es das Ende unserer Beziehung bedeutet. Ich muss zurückgehen – in Kalifornien sind mein Leben, meine Arbeit, mein Sohn. Aber ich finde, wir können trotzdem zusammen sein.”
Daria sagte ein paar Worte, die Shelly nicht verstand, doch Rory unterbrach sie und sprach weiter.
“Ich weiß, dass Fernbeziehungen für die Katz sind, und mir ist auch bewusst, wie frisch unsere Beziehung ist. Aber zugleich ist sie auch eine der ältesten und beständigsten Beziehungen, die ich je hatte. Ich muss dich das jetzt fragen: Besteht die Möglichkeit … irgendeine Möglichkeit, dass du nach Kalifornien ziehst? Mit Shelly natürlich. Auch wenn ich weiß, wie schwer es für sie wäre, die Outer Banks zu verlassen.”
Bei dem Gedanken beschleunigte sich Shellys Herzschlag. Rory sprach weiter, ohne Darias Antwort abzuwarten.
“Ich weiß, jetzt gibt es auch noch ein Baby, das man mit berücksichtigen muss. Aber ich will dich nicht verlieren, jetzt, wo ich dich gefunden habe. In Kalifornien könnten wir in die Nähe des Strandes ziehen. Vielleicht würde das Shelly ein Leben dort erleichtern.”
Shelly wagte nicht zu atmen, während sie auf Darias Antwort wartete. Was wäre dann mit Andy? Außerdem gab es in Kalifornien Erdbeben. Und sie bekäme dort keine Luft. Sie bekam ja noch nicht einmal in Greenville Luft.
Daria brauchte lange, um zu antworten. “Es ist unmöglich”, sagte sie endlich, und Shellys Körper schüttelte sich buchstäblich vor Erleichterung. “Shelly würde auf keinen Fall nach Kalifornien ziehen. Schon allein wegen der Erdbeben und weil … weil es einfach was anderes ist als die Outer Banks.”
“Und wenn wir Shelly mal für einen Moment unberücksichtigt lassen? Was willst
du?”
Wieder ließ sich Daria mit der Antwort Zeit, und als sie sprach, hörte Shelly Tränen in ihrer Stimme. “Ich will bei
dir
sein. Aber ich liebe Shelly. Ich liebe sie über alles, und sie kommt an erster Stelle. Ich habe sie gefunden und ihr das Leben gerettet, und jetzt trage ich die Verantwortung für sie. Bald werde ich auch noch auf ein Baby aufpassen müssen. Sie wird es niemals aufgeben, und man kann nicht von ihr erwarten, dass sie sich ganz allein darum kümmert. Und … ich weiß einfach nicht, wie das gehen soll … auf Shelly achten und zugleich bei dir sein. Es ist das Gleiche wie mit Pete.”
Shelly drehte den Kopf zum Fenster. Was meinte sie damit, “das Gleiche wie mit Pete”?
“Nur, dass Pete Shelly nicht mit nach Raleigh nehmen wollte”, warf Rory ein. “Ich würde sie gern bei uns haben wollen. Das ist der Unterschied.”
“Ja, das ist einer der vielen Unterschiede zwischen dir und Pete. Aber das Resultat ist dasselbe: Shelly kann hier nicht weg, und deshalb kann ich es auch nicht.”
“Da liegt ein weiterer Unterschied: Pete hat sich von dir getrennt, weil du nicht von hier weg wolltest. Ich habe das nicht vor. Ich werde einen Weg finden, wie wir es schaffen. Wenn ich mich entscheiden muss, eine Fernbeziehung oder überhaupt keine Beziehung mit dir zu führen, dann ist die Antwort ein Kinderspiel.”
“Ich bin so froh, das zu hören.”
“Daria”, sagte Rory langsam, “ich will dich in dieser Sache wirklich nicht drängen. Aber vielleicht ist Shelly selbstständiger, als du denkst. Mit Andys Hilfe wäre sie vielleicht in der Lage, sich um das Baby zu kümmern.”
“Du kennst Andy nicht gut
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