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Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
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ob sie Geschwister hatte oder einen Freund, der nun denkt, ohne sie nicht leben zu können. Ich kenne noch nicht mal ihren Namen, obwohl ich ihn während des Unfallgeschehens vermutlich wusste. Hätte ich doch versucht, ihre Familie zu kontaktieren. Ich war der letzte Mensch an ihrer Seite. Wenn ich einen wichtigen Menschen verloren hätte, würde ich wissen wollen, wie seine letzten Minuten waren. Auch wenn es, wie in diesem Fall, keine tröstliche Information wäre. Aber ich könnte ihnen doch gar nicht sagen, was wirklich geschehen ist. Wie ich es auch sonst keinem erzählt habe.”
    “Außer mir.”
    Sie öffnete die Augen, hob den Kopf und lächelte ihn an. “Außer dir.”
    Er nahm die Hand von ihrem Nacken und legte sie in seinen Schoß. “Na ja, es ist doch noch nicht zu spät, oder? Glaubst du nicht, sie würden es zu schätzen wissen, nach all der Zeit von dir zu hören? Wenn ich in ihrer Haut stecken würde, täte es mir gut zu wissen, dass sich der Rettungsdienst immer noch mit dem Schicksal meiner Tochter befasst. Und vielleicht würde es dir helfen, Daria. Vielleicht würdest du dann endlich zur Ruhe kommen.”
    “Ich habe gar nicht ernsthaft darüber nachgedacht”, gestand sie. “Ich schätze, ich habe Angst, weil ich sie anlügen müsste.”
    “Aber vielleicht würde es dir besser gehen, wenn du siehst, dass ihr Leben weitergeht. Vorausgesetzt, natürlich,
dass
es weitergeht. Das ist wohl das Risiko, das du in Kauf nehmen musst, wenn du sie kontaktierst. Doch egal, was du herausfindest – du würdest dich zumindest endlich mit der Wirklichkeit auseinandersetzen und nicht mit deiner Fantasie. Ich bin mir sicher, dass deine Albträume dann ein Ende hätten.”
    “Ja, vielleicht hätten sie das.” Diese Vorstellung erleichterte sie ein wenig. Rory hatte recht. Es täte gut zu wissen – genau zu wissen –, wie es den Angehörigen der Pilotin ging.
    Hundegebell ließ die beiden hochschrecken. Sie sahen zum Strand und erblickten Linda, die gerade mit drei Hunden die zur Sackgasse gelegene Düne überquerte. Als sie sie sah, winkte sie den zweien zu und setzte dann den Weg zu ihrem Haus fort. Das Hecheln der Hunde durchschnitt die stille Nachtluft.
    “Noch jemand, der heute Nacht keinen Schlaf findet”, bemerkte Rory.

27. KAPITEL
    R ory hatte sich überlegt, Pfarrer Macy anzurufen, um mit ihm über Shellys Adoption zu sprechen, doch der Priester kam ihm zuvor und lud ihn zu einem “ernsten Gespräch” ein, wie er es nannte. Am Tag der Verabredung nahm Rory Shelly, die zur selben Zeit in St. Esther's sein musste wie er, zur Kirche mit. Wie üblich plapperte sie im Wagen munter drauflos. Die meiste Zeit sprach sie von Zack, als wüsste sie, dass er zu Rorys Lieblingsthemen gehörte.
    “Er ist ein großartiger Volleyballspieler”, sagte sie, als Rory auf die Route 158 einbog. “Zwar nicht so gut wie ich, aber immer noch ziemlich gut.”
    Rory musste lachen. “Du bist genauso wie deine Schwester, weißt du das eigentlich? Sie hat mich in jeder Sportart geschlagen. Und auch sie wurde nicht müde, es zu erwähnen.”
    “Du kannst gleich hier reinfahren.” Shelly deutete auf den Parkplatz bei der Kirche. “Park einfach, wo du willst.”
    Der Parkplatz war nahezu leer, und so wählte Rory eine Parklücke, die ganz in der Nähe des kleinen Bürogebäudes lag. Ob Shelly den Grund für seinen Besuch beim Pfarrer kannte? Wenn ja, ließ sie es sich nicht anmerken.
    Durch die geöffnete Haupteingangstür des Gebäudes betraten sie den breiten Flur. Durch die Oberlichter und das große Fenster am anderen Ende des Korridors fiel das Sonnenlicht auf die Holzdielen, und die saubere und offene Atmosphäre des kleinen Gebäudes ließen Rory mit wachsender Zuversicht einem gemütlichen, freundschaftlichen Treffen mit dem Priester entgegensehen.
    “Komm.” Shelly nahm seine Hand und zog ihn durch den Flur. “Ich stelle dich Pfarrer Sean vor.”
    Das Büro des Priesters stand offen, und Pfarrer Macy saß mit dem Rücken zur Tür an seinem Schreibtisch. Er trug ein weites blaues Hemd.
    “Pfarrer Sean?” Shelly klopfte leise an die Tür.
    Der Priester wirbelte in seinem Drehstuhl zu ihnen herum. Als er Rory sah, stand er auf.
    “Das ist Rory”, stellte Shelly ihn vor.
    Der Priester durchquerte den Raum und hielt Rory zur Begrüßung die Hand hin. “Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Mr. Taylor.”
    Rory schüttelte ihm die Hand. “Es ist mir eine Ehre.”
    “Ich hole mal den Staubsauger”, sagte

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