Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sommerkind

Sommerkind

Titel: Sommerkind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diane Chamberlain
Vom Netzwerk:
Shelly zu Pfarrer Macy. “Und dann fange ich im Flur an, damit ich Sie und Rory nicht so sehr störe, okay?”
    Pfarrer Macy tätschelte ihren Arm. “Gute Idee”, meinte er, und dann zu Rory: “Kommen Sie doch herein und nehmen Sie Platz.”
    Rory folgte ihm in sein Büro und setzte sich auf das Sofa, während der Priester wieder auf seinem Schreibtischstuhl Platz nahm und sich Rory zuwandte. Er sah jünger aus, als Rory erwartet hatte. Lachfältchen zierten seine äußeren Augenwinkel, doch im Moment lachte er nicht. Er lächelte noch nicht einmal, und Rorys Hoffnung auf ein herzliches Gespräch verflog.
    “Ich kann gut verstehen, dass Sie nach Shellys biologischer Mutter suchen wollen”, begann Sean Macy.
    “Es ist so: Shelly hat mir einen Brief mit der Bitte geschrieben, ihren Eltern nachzuspüren”, erklärte Rory. “Aber ich versuche auch, mir ein vollständiges Bild von der Situation zu machen. Nicht nur das
Wer
, sondern auch das
Warum.
Warum es passiert ist, das damit in Verbindung stehende menschliche Drama, wie die Frau mit ihrer Tat zurechtkommt und so weiter. Außerdem möchte ich den Fokus darauf legen, wie gut Shelly es in der Cato-Familie hat.”
    Der Priester beugte sich nach vorn. “Und das wollen Sie auch, obwohl Sie um die starken Bedenken von Schwester Chloe und Daria wissen?”
    Der Pfarrer ließ ihn wie einen Schuft aussehen. “Shelly ist zweiundzwanzig Jahre”, verteidigte er sich und fragte sich, wie oft er diese Diskussion wohl noch würde führen müssen. “Und sie selbst hat mich um des Rätsels Lösung gebeten.”
    “Shelly hat noch nie gewusst, was das Beste für sie ist.”
    “Das höre ich ständig”, langsam war Rory frustriert, “aber ich sehe dafür keinerlei Anhaltspunkte.”
    Pfarrer Macy blickte finster drein. “Ich kenne Shelly sehr, sehr gut. Ich sehe sie mehrmals die Woche, und ich weiß, dass sie eine sensible junge Frau mit einem großen Bedürfnis nach Stabilität und Sicherheit ist. Und beides wird ihr von der Cato-Familie – und insbesondere von Daria – gegeben. In ihrer Vergangenheit herumzuwühlen wird diesen äußerst zerbrechlichen Halt bloß zerstören.”
    “Bei allem gebührenden Respekt, Herr Pfarrer, ich finde, Sie sind gerade ziemlich melodramatisch.”
    “Und ich finde, Sie sind halsstarrig. Sie sind nicht geneigt, irgendeine Kritik anzunehmen, die die Produktion Ihrer Sendung behindern könnte. Ihnen geht es doch nur ums Geld. Die Menschen, die Sie da mit hineinziehen, sind Ihnen doch völlig egal.”
    Es war nicht das erste Mal, dass man ihm vorwarf, bei seiner Suche nach geeignetem Material für “True Life Stories” die Gefühle anderer mit Füßen zu treten. Doch der Priester irrte sich. Er würde nichts tun, was Shelly verletzen könnte. Alle malten sie die möglichen negativen Auswirkungen seiner Recherche viel zu schwarz.
Wieso nur?
Ein plötzlicher Gedanke jagte ihm ein Kribbeln über die Haut. Die Proteste von Daria, Chloe und dem Priester waren so extrem, so heftig. Vielleicht steckte dahinter viel mehr als die bloße Sorge um Shellys Wohlergehen. Vielleicht wussten sie alle etwas, was er nicht aufdecken sollte.
    Rory beugte sich nach vorn. “Was geht hier vor, Herr Pfarrer? Wovor fürchtet sich hier jeder? Dass ich
was
herausfinde?”
    Der Priester schien überrascht von der Frage. “Das Einzige, worum wir uns sorgen, ist, dass Shelly durch Ihre Rechercheergebnisse verletzt werden könnte. Oder eben durch das, was Sie
nicht
herausfinden. Sie setzt so große Hoffnungen darin, dass allein ihr Zusammenbruch sie schon verletzen würde.”
    “Shelly liegt mir wirklich sehr am Herzen. Sobald ich etwas finden sollte, von dem ich glaube, es würde ihr ernsthaft Schaden zufügen, ziehe ich mich zurück. Das verspreche ich.”
    “Ich habe kein besonders großes Vertrauen in Ihr Urteil darüber, was ihr schaden könnte und was nicht.”
    Rory stand auf. Das Treffen, kurz und herb, war zu Ende. “Ich schätze, es ist aussichtslos, Sie in dieser Angelegenheit um Unterstützung zu bitten”, sagte er. “Ich hätte gern etwas über Ihre Erinnerungen an Shellys Adoption gehört und darüber, wie Sie sich für den reibungslosen Ablauf eingesetzt haben.”
    Der Priester bemühte sich gar nicht erst aufzustehen. “Sie haben recht, es ist hoffnungslos”, bekräftigte er. “Daria hat Shelly an jenem Morgen gefunden, und ich bin überzeugt, dass es Gottes Wille war. Es war Gottes Wille, dass Shelly Teil einer frommen Familie wird. Ein

Weitere Kostenlose Bücher