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Sommerliches Schloßgewitter

Sommerliches Schloßgewitter

Titel: Sommerliches Schloßgewitter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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Gesetze zu entwerfen oder im Oberhaus Reden zu halten, bei denen die sämtlichen Lords und Bischöfe jubelnd von den Sitzen springen und mit ihren Hüten winken würden. Seinen Platz in Englands Ruhmeshalle hoffte er sich dadurch zu erringen, daß er seine preisgekrönte Zuchtsau, Kaiserin von Blandings, liebevoll umhegte und mit ihr auf der Landwirtschaftsschau von Shropshire zum zweitenmal hintereinander die Silbermedaille in der Klasse der Mastschweine gewänne. Und mit jedem Tag schien ihr der Preis sicherer.
    Im Frühsommer hatte es allerdings einen herzbeklemmenden Moment atemloser Spannung gegeben, und ein Desaster schien sich anzubahnen. Damals hatte sein Nachbar, Sir Gregory Parsloe-Parsloe, ihm aus niedrigen Beweggründen seinen Schweinehüter, den hochbegabten George Cyril Wellbeloved, abspenstig gemacht, indem er ihm einen höheren Lohn versprach. Eine Zeitlang hatte Lord Emsworth befürchtet, die Kaiserin könnte aus Trauer um ihren alten Freund und Wohltäter die Nahrung verweigern und von ihrem stupenden Übergewicht verlieren. Aber seine Sorgen hatten sich als unbegründet erwiesen. Sie war vom ersten Augenblick an George Cyrils Nachfolger Pirbright aufs herzlichste zugetan und verputzte ihre Mahlzeiten so hingebungsvoll wie eh und je. Das Gute siegt auf dieser Welt doch öfter, als wir denken.
    »Was machst du denn so mit ihr?« fragte Millicent neugierig. »Liest du ihr Gute-Nacht-Geschichten vor?«
    Lord Emsworth verzog den Mund. Er war ein ehrfürchtiger Mensch, der über Erhabenes nicht spottete.
    »Mein liebes Kind, auf jeden Fall ist das, was ich mit ihr mache, zu ihrem Besten. Sie ist wunderbar in Form.«
    »Ich wußte gar nicht, daß sie Form hat. Als ich sie zuletzt sah, fand ich sie ziemlich unförmig.«
    Diesmal lächelte Lord Emsworth nachsichtig. Sticheleien über die Rundlichkeit der Kaiserin machten ihm nichts aus. Er wünschte sie sich gar nicht so gertenschlank, wie es heute bei jungen Mädchen die Mode ist.
    »Sie frißt so herzhaft wie noch nie«, sagte er. »Es ist eine Freude, ihr zuzusehen.«
    »Wie schön. Mr. Carmody«, sagte Millicent und streichelte einen Spaniel, der auf der Suche nach etwas Eßbarem hinzugekommen war, »sagte mir, er hätte noch nie ein schöneres Tier gesehen.«
    »Der junge Mann gefällt mir«, sagte Lord Emsworth mit Nachdruck. »Er versteht etwas von Schweinen. Ist nicht auf den Kopf gefallen.«
    »Ja, er ist wirklich besser als Baxter, findest du nicht?«
    »Baxter!« Seine Lordschaft verschluckte sich an seinem Tee.
    »Du hast ihn wohl nicht sehr gemocht, Onkel Clarence?«
    »Hatte keine ruhige Minute, solange er da war. Gräßlicher Kerl! Diese ewige Drängelei. Immer sollte ich irgendwas tun. Kam ständig mit seiner tückisch blitzenden Brille um irgendeine Ecke und verlangte, daß ich etwas unterschreibe, gerade wenn ich hinaus in den Garten wollte. Außerdem war er nicht richtig im Kopf. Gottseidank bin ich ihn los.«
    »Bist du das wirklich?«
    »Wie meist du das?«
    »Wenn du mich fragst«, sagte Millicent, »denkt Tante Constance immer noch daran, ihn zurückzuholen.«
    Lord Emsworth zuckte so heftig zusammen, daß ihm der Zwicker von der Nase fiel. Da hatte sie an sein Trauma gerührt. Schon manches Mal war er nachts zitternd aufgewacht in der Einbildung, sein früherer Sekretär sei aufs Schloß zurückgekehrt. Und obwohl er dann jedesmal mit einem Seufzer der Erleichterung wieder eingeschlafen war, verfolgte ihn doch ständig die Angst, daß seine Schwester Constance in ihrer entsetzlich rührigen Art etwas unternehmen könnte, um den Kerl wieder einzusetzen.
    »Du lieber Himmel! Hat sie etwas zu dir gesagt?«
    »Nein, aber ich habe so ein Gefühl. Ich weiß, daß sie Mr. Carmody nicht leiden kann.«
    Lord Emsworth explodierte.
    »So ein Unsinn! So ein absoluter, völliger, kompletter Unsinn! Was um alles in der Welt hat sie gegen den jungen Carmody? Ein äußerst fähiger, intelligenter Mann. Läßt mich in Ruhe. Drängelt mich nicht. Ich wünschte wirklich, sie würde …«
    Er hielt inne und starrte ausdruckslos auf eine gut aussehende Frau in mittleren Jahren, die vom Haus her über den Rasen kam.
    »Ach, da ist sie ja!« rief Millicent, gleichfalls unangenehm überrascht. »Ich dachte, du bist nach London gefahren, Tante Constance?«
    Lady Constance Keeble war jetzt bei ihnen am Tisch. Mit geistesabwesendem Kopfschütteln lehnte sie den Ehrenplatz bei der Teekanne ab, den ihre Nichte ihr angeboten hatte, und sank in einen Stuhl. Sie

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