Sommerlicht Bd. 3 Für alle Ewigkeit
küsste sie ihn, und seine Sterblichkeit wurde von der neuen Elfenenergie, die durch seinen Körper kreiste, herausgedrängt. Sie ließ ihren eigenen, beruhigenden Atem in ihn gleiten. Davon würde der Schmerz nicht verschwinden, aber es würde helfen. Sorcha konnte das Elfenreich neu ordnen, aber sie konnte nicht alles ändern. Schmerz, Vergnügen, Krankheit, Sehnsucht – es gab Dinge, die nicht einmal die Königin des Lichts verschwinden lassen konnte.
Sorcha ertappte sich bei der Hoffnung, dass die Sommerkönigin der Leidenschaft und des Opfers dieses Nicht-mehr-Sterblichen würdig war.
Weil er jetzt mein Untertan ist.
Und wie jede gute Königin tat auch Sorcha das, was das Beste für ihre Untertanen war, ganz gleich, ob sie sie darum baten oder nicht.
Dreiundzwanzig
Donia wartete beim Brunnen an der Willow Street. So spät am Abend war der Saxophonspieler längst gegangen, und die vielen Kinder, die fröhlich im Wasser herumgetollt hatten, lagen inzwischen irgendwo in ihren Betten. Matrice, eine der Weißdornelfen, hockte in der Nähe in einem Baum. Die weiß geflügelte Elfe war eine der wenigen Elfen in der Gegend. Ihre ramponierten Flügel flatterten wie zerrissene Spinnweben im Wind, während sie auf einem Ast saß und in den Himmel schaute. Am anderen Ende des Platzes kauerte Sasha mit gespitzten Ohren auf dem Boden. Irgendwo weiter entfernt streunten einige Glaistigs herum.
Donia brauchte Antworten, aber von den vier Elfen, die sie fragen konnte, würde ihr wahrscheinlich nur eine helfen. Sorcha kam nicht in Frage; Keenan schwieg; Bananach war verrückt. Blieb also nur noch Niall. Nach Seths plötzlichem Verschwinden und den Gerüchten, die im Flüsterton aus dem Elfenreich herausdrangen, hatte Donia wenig Grund zu zweifeln, dass Seth sich dort aufhielt, an einem Ort, von dem Sterbliche – und auch zahlreiche Elfen – nicht mehr zurückkehrten.
Die Königin des Lichts war unbeugsam und auf eine Art grausam, die manchmal sogar den Hof der Finsternis sanftmütig aussehen ließ. Aber vielleicht bin ich auch von meinen eigenen Ängsten beeinflusst … Die wachsende Kraft des Sommers machte sie schwermütig. Der Winter hatte in der zunehmenden Hitze dieser Jahreszeit hier draußen eigentlich nichts zu schaffen, doch Niall zu sich nach Hause einzuladen, hätte sich wie ein Verrat an Keenan angefühlt. Selbst jetzt, wo ihre Chance auf eine richtige – wenn auch nur kurze – Beziehung vorbei war, konnte sie den Gedanken, ihm wehzutun, nicht ertragen.
Niall kam. Er war allein und bewegte sich mit der fließenden Eleganz von über die Erde wandernden Schatten. Aus seinen Schritten sprach dieselbe lässige Arroganz wie bei seinem Vorgänger; in seiner Hand hielt er eine brennende Zigarette, eine Angewohnheit, die er zusammen mit der Verantwortung für den Hof übernommen hatte. Gewalt und Versuchung – er war die Inkarnation des Hofes, den er früher abgelehnt hatte. Ein Hauch davon war auch schon zu spüren gewesen, als er noch am Sommerhof lebte – was ihrer Ansicht nach teilweise der Grund dafür gewesen war, dass Keenan ihn in seiner Nähe behalten hatte –, aber dass seine dunklen Seiten für ihn so selbstverständlich waren, das war neu.
Niall setzte sich schweigend neben sie auf die Bank.
»Warum ist Seth im Elfenreich?«, begrüßte sie ihn.
»Weil er ein Dummkopf ist.« Niall machte ein finsteres Gesicht. »Er wollte ein Elf werden. Bananach hat ihn zu Sorcha gebracht.«
»Glaubst du, dass Sorcha ihn bei sich behalten wird? Oder ihn verwandelt oder …«
Nialls Blick ließ sie verstummen. »Sorcha hat die Angewohnheit, Sterbliche mit Sehergabe zu rauben, und ich glaube, dass Seth in Schwierigkeiten ist.«
»Und Keenan?« Sie geriet nicht ins Stottern, obwohl es in diesem Augenblick wehtat, nach ihm zu fragen. Sie hatte sich große Hoffnungen gemacht, als er gesagt hatte, dass er sie liebe, doch nur Tage später hatte er sich von ihr verabschiedet. Die Sonnenwende rückte immer näher, aber sie würde nicht in seinen Armen liegen.
Niall drückte die Zigarette an der Sohle seines Stiefels aus, bevor er antwortete. »Seth ist für alle am Sommerhof unauffindbar und gilt als verschollen. Es kann gar nicht sein, dass Keenan nicht zumindest einen Verdacht hegt, wo er sich aufhält … Zumal ich annehme, Ashlyn hat ihm erzählt, dass Seth die Verwandlung wollte.«
Donia sammelte Schneeflocken auf ihrer Handfläche und formte sie zu einem Abbild der einsamen Wasserelfe, die faul im
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